- 2012
Immer wieder ist mir in den zwei Jahren, in denen ich mich nun für die Landbevölkerung und eine echte Agrarreform einsetze, mit meinem begrenzten Talent als Dichter, Schriftsteller, katholischer Christ und Anwalt, unzählige Male das Wort Solidarität begegnet, sei es als Teil eines Aufrufs oder als Thema eines Forums oder einer Konferenz.
Der Brief von Frère Alois lädt zu einer neuen Solidarität ein, denn die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich auf der Welt zeigt, dass wir als Christen nicht aufmerksam genug waren.
Die Einkehrtage haben mich in dem bestätigt, was ich bereits lebe. Meine Liebe zu Gott findet einen Widerschein in meiner Liebe zu den Menschen, die mir anvertraut sind, oder zu den Gemeinschaften, die ich aufzubauen helfe. Neue Solidarität bedeutet nicht nur, mehr für die Menschen zu tun, sondern auch, neue Wurzeln zu finden, mit denen wir alle zusammen in vollkommener Einheit wachsen können, als Teil der Menschheitsfamilie. Ang hirap! Ich bin kein Heiliger. Mit all meinen Sünden bin ich kein perfekter Christ und auch kein Vorbild dafür, wie der Glaube und die Liebe Gottes aussehen sollte. Aber ein Satz aus einem Taizé-Gesang erinnert mich daran, dass mich nichts von der Liebe Gottes trennen kann, die uns in Christus Jesus geschenkt ist. Denn sogar die Geschichte von Kain und Abel erinnert uns daran, dass uns Gott selbst wenn wir sündigen nie verlässt. Auch unter denen, die sich Christus als Freunde und Jünger aussuchte, waren nicht nur Heilige. Aber eigentlich möchte ich nicht einmal ein Heiliger sein, sondern ich sehne mich nur danach, wirklich Mensch zu sein.
Es ist wahr, wie nach den meisten Einkehrtagen, die ich bislang gemacht habe, fühle ich mich wie neu aufgeladen. Ich habe neue Kraft aus den frischen, voll geladenen Batterien meines Nachdenkens und Betens, die jeden meiner Wege leiten werden, bis zur nächste Haltestelle. Meine Aufgabe ist es, den Menschen zu dienen. Eine Aufgabe, die ich in Gemeinschaft mit anderen lebe. Alle von ihnen haben sich mit Sicherheit dafür entschieden, zu hoffen und zu lieben, denn wir haben uns an die gleiche Aufgabe gemacht. Die letzten beiden Absätze des Briefes aus Taizé „Auf dem Weg zu einer neuen Solidarität“ stellen eine Herausforderung dar, die sicher auch weiterhin in meinem Kopf klingen wird. Das letzte Wort der letzten Frage ist ein Wort, das mir seit einem Monat, der nun schon seit den Einkehrtagen vergangen sind, und bis zu dem Tag, an dem ich dies schreibe, jeden Morgen Sinn verleihen. Die größte Herausforderung, die mich noch mehr dienen lässt ... noch mehr lieben lässt!
Besuche 2011: Der Pilgerweg des Vertrauens begleitet viele junge Filipinos in ihrem Alltag
Schon lange vor unserer Ankunft in Manila war uns aufgefallen, dass der Pilgerweg des Vertrauens in Asien im Februar 2010 ein positives Echo hinterlassen hat und junge Menschen noch über ein Jahr danach inspiriert. Junge Erwachsene aus Vietnam, Indonesien, Singapur, Thailand und anderen Ländern erzählten uns, wie lebendig die Freundschaften mit den Filipinos blieben. Manche kamen auf die Philippinen zurück, um ihre neuen Freunde wieder zu besuchen, gemeinsam zu beten und diese Verbindungen nicht nur über das Internet, sondern durch einen konkreten Besuch zu vertiefen.
Für uns Brüder war dieser dreiwöchiger Besuch Ende Mai 2011 auch eine Gelegenheit, einen neuen Blick auf alles zu werfen, was wir gemeinsam mit unseren philippinischen Freunden in den vergangenen Jahren erlebt hatten.
Unser Besuch wurde von sehr Treffen in den verschiedenen Gegenden des Landes gezeichnet. Auf Mindanao fuhren wir nach Kitcharao (Butuan); von den Inseln der Region Visaya besuchten wir Cebu und Iloilo, in Luzon nach Imus, Manila und Umgebung, nach San Fernando (Pampanga), Dagupan und ganz im Norden Tabuk. Wir beteten gemeinsam mit 600 Jugendlichen während eines Sommerlagers und trafen Seminaristen und Theologiestudenten.
An manchen Orten gab es Nachmittage mit dem „Brief aus Chile“, gemeinsame Gebete, Bibeleinführungen und Gespräche in Kleingruppen zu den Themen des Briefs: Freude, Erbarmen, Verzeihen. Danach erzählten die Jugendlichen von ihren Erfahrungen: Wie kann man die Freude leben, auch wenn das Alltagsleben oft hart ist und wir mit den Probleme unseres Landes konfrontiert sind? Wie kann man für andere sorgen und Gemeinschaft weiter werden lassen, wenn Grenzen und Gegensätze schon in der eigenen Gemeinde unüberwindlich zu sein scheinen? Was bedeutet es, „Verzeihung zu leben“, wenn wir selbst von uns nahestehenden Menschen tiefe Wunden mit uns herumtragen?
Fast überall trafen wir auch Jugendliche, die in den vergangenen Jahren von ihren Diözese und Gemeinschaften für eine Zeit nach Taizé geschickt worden waren. Wir trafen jemanden, der 1991 in Taizé war und seither versucht, den Ärmsten durch Mikrokredite zu einem besseren Leben zu verhelfen. Einige junge Erwachsene, die Anfang des Jahres aus Taizé zurückgekommen waren und deren Eindrücke noch frisch waren, luden uns zu Gebeten und Treffen in ihren Gemeinden ein.
In Manila gehen in vielen Gemeinden, die während des Treffens 2010 Gäste aufgenommen hatten, regelmäßige Gebete weiter. Wir waren von der Freude berührt, mit der diese jungen Menschen die Gebete vorbereiteten. Mit Blumen, Ikonen, Kerzen, Steinen und Tüchern schmückten sie die Orte des Gebets in schlichter Schönheit, besonders in den ärmeren Vierteln der Stadt. Dies alles öffnete uns für die geheimnisvolle Gegenwart Gottes. Nach einem dieser Gebete erzählten einige, was sie auf dem Pilgerweg erlebten hatten und was sie davon bis heute in ihrem Alltag begleitet. Wir staunten nur, welchen Eindruck es in ihrem jungen Leben hinterlassen hat. Hier einige Berichte:
„Diese Erfahrung hat mein Leben verändert. Ich habe mehr Zuversicht nach diesem Pilgerweg des Vertrauens.“
„Während der Gebet fand ich zu einem inneren Frieden. Ich konnte mich auf Gott ausrichten; auf persönliche Weise zu ihm sprechen.“
„Ich entdeckte Stille. In der Stille konnte ich auf Gottes Stimme hören. Die Leidenschaft für das Gebet, die ich nie wieder verlieren möchte. Der Pilgerweg des Vertrauens zeigte mir dafür den Weg.“
„Es war eine Gemeinschaft über all unsere Unterschiede hinaus entstanden; ich spürte, dass ich für Gott wichtig bin und dass, wenn man Gott vertraut, nichts unmöglich ist.“
„Menschen vertrauen mir, weil ich selbst während des Pilgerwegs im Vertrauen gewachsen bin.“
Beim Abschied fragte man uns oft: „Wann kommt ihr zurück? Wo wird der nächste Pilgerweg des Vertrauens hinführen?“
Den Pilgerweg des Vertrauens nach dem Manilatreffen weitergehen
Als wir nach Ostern wieder auf die Philippinen kamen konnten wir sehen, wie der Pilgerweg des Vertrauens in Manila und anderen Regionen des Landes weitergeht. Im Februar hatten mehrere tausend Jugendlicher am internationalen Treffen in Manila teilgenommen; fünf Tage waren sie zu gemeinsamen Gebeten zusammengekommen und über ein Thema des Briefs aus China nachgedacht: „Durst nach Leben in Fülle – ein Ruf, die Welt umzugestalten“. Was sie in diesen Tagen erlebt hatten, nahmen sie natürlich nach Hause in ihren Gemeinden mit, und viele wollten den Pilgerweg weitergehen.
Viele, die in Manila waren, haben auf beeindruckende Weise ihre Erfahrungen mit denen geteilt, die nicht zum Treffen kommen konnten.
Gleich nach unserer Ankunft ging es mit dem Bus nach San Jose City, Nueva Ecija, wo sich Jugendliche aus verschiedenen Diözesen in Luzon für fünf Tage zu einem regionalen Pilgerweg trafen. Den Tag verbrachten sie mit ihren Gastfamilien, um sich über einen Bibeltext auszutauschen – eine Art „Lectio Divina“ mit Menschen verschiedener Generationen, die vom Ertrag ihrer Feldarbeit leben. Abends, kurz vor Sonnenuntergang, kamen die Jugendlichen auf einem großen Platz vor einer Reismühle zum Abendgebet zusammen. Als das Gebet begann, ließ die sinkende Sonne die Ikonen mit ihrem goldenen Licht erstrahlen. Es war ein wunderschöner Tagesabschluß.
In Legazpi trafen sich an die tausend Jugendliche, um sich für ihre Arbeit als „Wahlbeobachter“ am 10. Mai vorzubereiten. Kirchliche Gruppen engagieren sich im sogenannten „Gemeinderat für verantwortungsbewusstes Wählen“, um während ds Wahlkampfs und in den Wahllokalen für gerechte und friedliche Wahlen zu sorgen. Jugendliche aus der ganzen Region trafen sich am Donnerstagabend. Wir begannen mit einem Gebet. Viele waren gekommen, um für ihre wichtige Aufgabe in Gott Kraft zu schöpfen, im Gebet und Gesang, im Hören auf das Wort Gottes und in Stille. Die ganze Nacht dauerten dann die praktischen Vorbereitungen. Vor Sonnenaufgang trafen wir uns auf einem Hügel unterhalb des imposanten Mayon-Vulkans, um mit Jugendbischof Joel Baylon Gottesdienst zu feiern. Die Schönheit der Schöpfung war an diesem Morgen überwältigend. Gleichzeitig erinnerte uns der Vulkan an die Herausforderungen, mit denen uns Gott immer wieder konfrontiert. Aber in seiner Predigt ermutigte der Bischof die Kandidaten, dass wir nur in Gott die Kraft für unser Engagement finden können.
Wir waren auch zu einem Treffen in Malabalay, in Mindanao eingeladen. Die verantwortlichen Jugendkoordinatoren trafen sich, um das kommende Jahr zu planen, und wollten ihr Treffen mit einem Gebet, einer Bibeleinführung und dem Austausch in Kleingruppen abschließen. Freiwillige aus der Gemeinde kochten am offenen Feuer im Garten. Dann folgte das Abendgebet. Die Menschen in Mindanao sehnen sich nach einer friedlichen Lösung des Konflikts, der schon lange in ihrer Region brodelt. Die Jugendlichen wollen durch ihr Leben Wege des Friedens vorbereiten. Junge Christen aus Mindanao hatten muslimische Freunde zum Treffen in Manila mitgebracht. Nor Asiah Madale Adialao, eine junge Muslima, schrieb in der Kirchenzeitung von Mindanao:
„Taizé… ein Weg des Friedens und des Dialogs. Während der Jahre meines Engagements im interreligiösen Dialog hatte ich das Gefühl, dass ich nur einer der ganz wenigen Menschen bin, die von einer friedlichen Welt träumen, einer Welt, in der Menschen verschiedener Kulturen und Orientierungen zusammenleben können… Dann bin ich Taizé und dem Pilgerweg des Vertrauens begegnet. Ich kann es immer noch kaum glauben, dass ich, eine überzeugte Anhängerin des Islam, mit einem katholischen Priester und einer Ordensschwester aus dem Land dieselbe Sehnsucht nach Frieden und Dialog teilen konnte, und Menschen so verschiedener Richtungen kennenzulernen, die im Ringen um Frieden echte Partner werden. Diese Erfahrung war ein neuer Schritt hin zu gegenseitigen Verstehen und der Entwicklung eines Dialogs im Wesentlichen. Als Muslima kann ich die warme Gastfreundschaft der Schwesterngemeinschaft nicht vergessen, die uns aufgenommen hat. Es war wunderbar, mit so viel Freude im Herzen begrüßt zu werden. Es hat mich besonders bewegt, als sich alle zu einer Zeit des Gebets zusammengefunden haben; ein Moment, der so still war, dass ich fast nichts gehört habe, außer meinen eigenen Gedanken und meine tiefe Sehnsucht nach einem dauerhaften Frieden mit Menschen an allen Stationen des Lebens.“
Ähnliche Gebete und Treffen fanden auch in Bohol, Talibon und Tagbilaran statt. Am 12. Mai waren wir nach Puerto Princessa (Palawan) eingeladen. Im Februar hatten die Jugendlichen auf Anregung von Frère Alois ein Gebet in Solidarität mit den Opfern der Erdbeben in Haiti und Chile begonnen. Ähnliche Gebete finden überall in Manila statt. Einige benutzen immer noch die Liederbücher, die im Februar ausgeteilt wurden, um weiterhin mit anderen die neuen Übersetzungen in Tagalog singen zu können. Wir waren sehr froh, von einigen Gemeinschaften eingeladen zu werden, die im Februar Jugendliche aufgenommen hatten; katholische Priester aus verschiedenen Diözesen und Gemeinden der Union Church Makati.
Welche Freude, die fünfzig Jungen aus dem Jugendgefängnis wiederzusehen. Wir hatten sie bereits am Aschermittwoch besucht, um zusammen zu beten und über Vergebung nachzudenken. Deshalb war es gut, sie nach Ostern wiederzusehen. Inzwischen haben sie viele Lieder auswendig gelernt. Im Geist der Osterfreude beteten wir gemeinsam und tauschten den Frieden und die Freude aus, die die Jünger am Ostertag erlebt haben, als sie dem auferstandenen Christus begegneten. Zum Abschied winkten die Jungen und baten „Bitte kommt wieder und betet für uns!“. Einander zu besuchen, zusammen zu beten, einander zuzuhören, die Schwierigkeiten und Freuden des Lebens zu teilen – das ist das Zentrum der Botschaft des Evangeliums. Und so geht für jeden einzelnen der Pilgerweg weiter, und wir bleiben verbunden im Gebet, bis wir uns wiedersehen.