Ihr habt bemerkt, dass seit heute Früh im Chor der Kirche die sogenannte „Freundschaftsikone“ steht. Warum? Heute vor sieben Jahren starb Frère Roger und er hatte diese ägyptische Ikone sehr gerne, die im sechsten Jahrhundert gemalt worden war.
Frère Roger liebte diese Ikone, weil sie Christus darstellt, wie er seinen Arm auf die Schulter eines Freundes legt. Dieser Freund Christi sind wir alle. Frère Roger lebte aus der Gewissheit, dass Gott jeden Menschen begleitet, selbst diejenigen, die sich dessen nicht bewusst sind.
In diesem Vertrauen darauf, dass Gott in jedem Menschen gegenwärtig ist, fand Frère Roger einen Frieden und eine Freude, die er anderen weitergeben wollte. Und selbst wenn uns die Trennung manchmal noch schmerzt, möchten wir doch nicht vergessen, wie sehr Frère Roger ein Mensch war, der Freude ausstrahlte.
Frère Roger sagte zu uns Brüdern oft: „Wir sind keine geistlichen Meister“. Diese Worte wollen uns nicht von der pastoralen Verantwortung entbinden, die wir all denen gegenüber haben, die uns besuchen.
Mit den Worten, dass „wir keine geistlichen Meister sind“, wollte Frère Roger sagen: Wir möchten uns nicht zur Schau stellen, sondern wie Johannes der Täufer durch unser Leben auf Christus zeigen und einen Weg bereiten, der zu ihm führt. Und so fügte Frère Roger hinzu: „Wir sind zuallererst Menschen, die zuhören.“
Aber noch in etwas anderem ist das Zeugnis, das Frère Roger uns aufgetragen hat, dem des Johannes des Täufers, des Vorläufers – wie man ihn nennt, ähnlich: in der Einfachheit des Lebens.
Natürlich möchten wir als kleine Communauté nicht mit Johannes dem Täufer wetteifern: Johannes lebte in der Wüste, mit einem Fell bekleidet ernährte er sich von Heuschrecken und wildem Honig. Dennoch, Frère Roger achtete für sich selbst und für uns Brüder sehr auf einen einfachen Lebensstil, und dies bis zum Ende seines Lebens.
Er erinnerte oft daran, dass wir seit den ersten Christen, seit der Zeit der Apostel, seit Johannes dem Täufer und der Jungfrau Maria, deren Fest wir gestern begingen, aufgerufen sind, sehr einfach zu leben und mit anderen zu teilen.
Ich weiß nicht, ob ich noch ein Wort zu Johannes dem Täufer sagen soll, aber wer weiß: Vielleicht ist der gewaltsame Tod Frère Rogers, seine durchschnittene Kehle während des Gebets hier in der Kirche, auch ein geheimnisvolles Zeichen seiner Nähe zu Johannes dem Täufer, der enthauptet wurde.
Die wenigsten wissen, dass Frère Roger sich oft viele Sorgen machte. Aber es waren gerade diese Sorgen, die so viele schöpferische Kräfte in ihm freisetzten. Er konnte anderen die Freude und das Vertrauen auf Gott weitergeben, weil sie bei ihm aus einem inneren Kampf kamen.
Allerdings lähmte ihn diese Besorgtheit nicht, sondern ließ ihn ständige überlegen, er verfolgte alles sehr aufmerksam. Er wollte das, was er spürte, auch konkret leben. Er macht sich oft Tag und Nacht um andere Menschen Sorgen.
Wie fand er da immer wieder zur Freude und zum inneren Frieden zurück? Zum Teil dadurch, dass er jeden neuen Tag wie ein Heute Gottes lebte. Er ließ sich von den Ereignissen und den Menschen, denen er begegnete, inspirieren. Er wagte es, etwas Neues zu schaffen, selbst in Situationen, in denen seine Anstrengungen von vorne herein zum Scheitern verurteil schienen.
Er kämpfte bis zum Schluss, um der Gegenwart Gottes Vertrauen zu schenken. Vielleicht machte ihn gerade dies fähig, die Veränderungen unserer Gesellschaften so genau zu sehen. Oft erkannte er lange vor anderen, was am Kommen war.
Das Vertrauen auf Gott gab ihm den Mut, stets einige Schritte vor der geschichtlichen Entwicklung herzugehen. Er hat Wege aufgetan, die unmöglich schienen, sowohl zur Versöhnung unter den Christen als auch zum Frieden in der Menschheitsfamilie.
Einfacher leben und miteinander teilen: Auf diesen Ruf, den Frère Roger immer wieder aufgriff, wollen wir auch weiterhin jedes Jahr antworten. Und dieses Jahr möchten wir vor allem mit Afrika noch mehr teilen.
Ihr wisst, dass vor dem Europäischen Treffen in Rom ein afrikanisches Jugendtreffen in Kigali, der Hauptstadt Ruandas, stattfinden wird. Wir möchten dabei aufmerksam hinhören, was die jungen Afrikaner heute erwarten und wonach sie sich sehnen; und wir möchten auch besser sehen, was sie den jungen Menschen auf den anderen Kontinenten weitergeben können.
Diese Woche sind - wie den ganzen Sommer über - Jugendseelsorger aus Ruanda hier. Sie helfen uns, uns auf dieses Treffen vorzubereiten.
Wir wollen auch dieses Jahr eine Geste der Solidarität tun – der sich jeder anschließen kann – und zwar mit den Menschen im Südsudan. Zwanzig Jahre Krieg haben dieses Land in seiner Entwicklung zurückgeworfen; vor allem die mangelnde Schulbildung bereitet große Probleme.
Viele junge Menschen haben im Südsudan in ihrem bisherigen Leben nur Gewalt erlebt, aber es werden große Anstrengungen unternommen, um die jüngere Generation dazu zu bringen, das Land wieder zu bebauen oder eine Ausbildung anzufangen. Durch die „Operation Hoffnung“ werden wir drei Jahre lang benachteiligte Kinder in der Stadt Rumbek unterstützen.