Dreimal am Tag kommen wir hier in der Versöhnungskirche zusammen; gemeinsam gehen wir zu den Quellen des Glaubens.
Ihr wisst, dass diese Woche in der Nacht von Montag auf Dienstag unser Bruder Jacques gestorben ist. Wir werden uns mit euch allen zusammen am Samstag in einem Gottesdienst um 12 Uhr von ihm verabschieden.
Frère Jacques war fast sein ganzes Leben als Bruder, seit 1975 in Asien, in Bangladesch, wo mehrere unserer Brüder in einer kleinen Fraternität unter einer fast ausschließlich muslimischen Bevölkerung leben.
Wie sind unsere Brüder dort Zeugen des auferstandenen Christus? Sie können nicht viel über ihren Glauben reden, aber sie können die Menschen aufnehmen, ihnen nahe sein, ihre Gaben bewundern, zum Beispiel ihren Sinn für Schönheit und Poesie. Und sie können den Leidenden nahe sein, und ihnen zeigen, wie sehr sie geliebt werden.
Ja, unsere Brüder teilen das Leben der Ärmsten und der am meisten Verlassenen. Sie organisieren auch Pilgerwege mit jungen Menschen mit Behinderungen, zu denen Glaubende verschiedener Religionen zusammenkommen. Inmitten der verschiedenen Religionen und Kulturen ist ihr Leben in Bangladesch ein Zeichen dafür, dass der Dienst an den Schwächsten ein Weg des Friedens und der Einheit ist.
Neulich fragte mich ein Jugendlicher: „Wie kann ich den inneren Frieden finden?“ Ich war ein wenig überrascht von dieser Frage. Der innere Frieden ist zwar etwas sehr Wichtiges, aber er ist gleichzeitig, zumindest für mich, nur manchmal spürbar.
Ja, es gibt Zeiten, in denen mich ganz unerwartet eine Dankbarkeit für das Leben überkommt, für einen bestimmten Menschen, für ein Ereignis, für die Musik, die Natur. Aber die großen und kleinen Sorgen des Lebens treten oft schnell wieder in den Vordergrund.
Jesus lädt uns ein, uns nicht von den Sorgen überwältigen zu lassen. Und ich kenne Menschen – ich denke da an jemanden ganz bestimmten –, der eigentlich unter der Last der Sorgen zusammenbrechen müsste, der aber eine erstaunliche Ruhe hat. Diese Person sagte mir einmal: „Der Heilige Geist ist da, und er trägt mich.“
Wie können wir noch mehr aus diesem Vertrauen leben, dass Gott da ist, größer als unsere Sorgen? Dazu kann uns ein Wort Jesu helfen. Vor seinem Tod am Kreuz hatte er zu seinen Jüngern gesagt: „Ich gebe euch meinen Frieden.“
Also müssen nicht wir diesen Frieden schaffen, sondern können ihn entgegennehmen. Der Apostel Paulus sagt sogar: „Christus ist unser Frieden.“ Der Friede Christi ist nicht so sehr ein beruhigendes Gefühl. Er zeigt sich mehr in unserer Beziehung zu den anderen, auch zu denen, die anders sind als wir, die anderer Meinungen sind, eine andere Religion haben ... Christus bewahrt uns im Frieden.
Natürlich hebt der Frieden Christi nicht wie durch einen Zauber die Unterschiede oder Spannungen zwischen uns auf. Aber er wirft ein neues Licht auf sie. Er hilft uns, dem anderen aufmerksamer zuzuhören und so weit wie möglich zu gehen, um seinen Standpunkt zu verstehen. Dann ist der andere für mich keine Bedrohung mehr; wir können sogar ein Stück unseres Wegs gemeinsam gehen.
So sind die Beziehungen zu den anderen weniger von Angst bestimmt, und etwas in uns kommt zur Ruhe, ein innerer Friede kann einziehen.
Christus ist unser Friede: Er möchte, dass wir uns anderen öffnen und auch Spannungen ohne Angst aushalten. Dadurch wird der Frieden des Herzens möglich. Die Versöhnung, die Gott will, beginnt in unseren Herzen, im inneren Frieden, der den anderen nicht in eine bestimmt Schublade steckt oder ihn vorverurteilt.
Christus schenkt uns seinen Frieden. Sonst könnte die Versuchung der Entmutigung und Verbitterung zu groß werden. Ja, durch den inneren Frieden, den Christus uns schenkt, können wir selbst zu Trägern des Friedens und der Versöhnung in der Menschheitsfamilie werden.
Ich möchte nun einem jungen Freiwilligen aus dem Irak das Mikrofon geben, der den ganzen Sommer hier mitlebt. Er und seine Familie haben schwerste Gewalt und Krieg erlebt. Hören wir, was er uns zu sagen hat.
„Guten Abend, ich heiße Fadi und komme aus Baghdeda/Karakosch bei Mossul im Irak. Ich bin diesen Sommer als Freiwilliger hier in Taizé.
In den letzten Jahren wurden wir von extremistischen Gruppen und dem IS grausam verfolgt; es wurde gemordet, zerstört, unserer Häuser und Kirchen wurden verbrannt, unser Hab und Gut geplündert, und wir waren vor und nach unserer Vertreibung auch psychischer Gewalt ausgesetzt.
Trotz all dem fordert unser christlicher Glaube uns auf, zu vergeben. Das ist sehr schwer, denn wir haben unvorstellbar gelitten. Aber ohne Vergebung wird es keinen Frieden geben, sondern nur immer wieder Krieg. Vor Kurzem haben wir begonnen, den Kontakt mit unseren Nachbarn wieder aufzunehmen.
Wir brauchen euer Gebet hier in Taizé für unsere Feinde und für uns selbst, damit wir alle wieder in Frieden und Sicherheit leben können.
Danke, Fadi, für diese starken Worte! Wir werden für euch, für eure Familien und für den Frieden im Irak und im Nahen Osten beten.
Im Mai kamen vier jesidische Flüchtlingsfamilien nach Taizé, insbesondere Mütter mit ihren Kindern aus dem Irak und aus Syrien. Für dieses friedliebende Volk ist der nächste Samstag, der 3. August, ein sehr bedeutsames und trauriges Datum. An diesem Tag vor genau fünf Jahren wurden viele Jesiden grausam ermordet. Am Samstagabend werden diese Familien zu uns hierher in die Kirche kommen. Am Ende des Gebets werden wir einige Augenblicke im Schweigen verbringen – als Ausdruck unserer Solidarität mit dem Leiden des jesidischen Volkes.
Foto: Cédric Nisi