TAIZÉ

Jugendtreffen in Vilnius

Brief an einen jungen Litauer

 
Vom 1. bis 3. Mai 2009 kamen in Vilnius 8000 Jugendliche aus den drei baltischen Ländern Litauen, Lettland und Estland, sowie aus den Nachbarländern Polen, Ukraine, Russland, Weißrussland, aus Skandinavien und darüber hinaus zusammen. Frère Alois veröffentlichte aus diesem Anlass folgenden „Brief an einen jungen Litauer“. Auf die Frage, warum gerade an einen jungen Litauer, antwortete er: „Als Ausdruck der Dankbarkeit und der tiefen, herzlichen Verbundenheit mit den jungen Menschen dieses Landes, in dem wir so freundschaftlich aufgenommen wurden“.

Eine Mutter aus Deinem Land schreibt: „Litauen schwankt zwischen Hoffnung und Skepsis.“ Ich möchte gemeinsam mit Dir in Litauen überlegen, was die Waage zur Hoffnung hin ausschlagen lässt.

Mir ist unvergesslich, wie 1989 die ersten Jugendlichen aus diesem Land, das uns so sehr ans Herz gewachsen ist, in Taizé ankamen. Nach den langen Jahren der Trennung, waren wir alle begeistert über die neu gewonnene Freiheit.

Gott hat Deinem Volk – wie auch jedem anderen – besondere Gaben anvertraut: eine wunderbar unkomplizierte Gastfreundschaft und einen Glauben, der auch in den dunkelsten Stunden durchhält und Hoffnung wachsen lässt.

„Gott ist Liebe“: Dieses Schriftwort (1 Johannes 4,8) führt Dich sehr weit. Im Vertrauen auf diese Liebe findest Du die Quelle der Hoffnung; keinen billigen Optimismus, der die Augen vor der Realität verschließt, sondern eine starke Hoffnung, die in Gott verankert ist.

„Gott ist Liebe“: Er versteht Dich bis ins Innerste. Fürchte Dich nicht; öffne Dich und versuche deinerseits, die anderen zu verstehen. Den Christen in Deinem Land war schon immer bewusst, dass Christus barmherzig ist und Maria die „Mutter der Barmherzigkeit“. Diese Liebe, die Güte des Herzens, kann in Deinem Leben strahlen.

Ich bin selbst zum „Berg der Kreuze“ gepilgert. Er ist ein schlichtes Zeichen, das dennoch für ganz Europa und darüber hinaus gilt. Das Geheimnis des Kreuzes hat die Geschichte Deines Landes geprägt und den Menschen immer wieder neuen Mut gemacht, aus der Auferstehung Christi zu leben.

Heute fällt es immer mehr Menschen schwer, an die Auferstehung zu glauben. An die Barmherzigkeit Christi zu glauben, an seine unsichtbare Gegenwart, daran zu glauben, dass er durch den Heiligen Geist in unseren Herzen wohnt, zu diesem Wagnis lädt Dich das Evangelium ein. Habe den Mut, Dich auf diese Gegenwart zu stützen. Dann verleiht die Auferstehung Christi Deinem Leben neuen Sinn und entzündet eine Hoffnung für die Welt.

Der Mut Maria Magdalenas kann Dich beflügeln. Sie war als Frau ganz auf sich allein gestellt und hatte dennoch den Mut, zu den Anderen zu gehen und ihnen die unglaubliche Botschaft zu überbringen: „Christus ist auferstanden!“ Es gelang ihr, Gottes Liebe durch ihr Leben weiterzugeben (Johannes 20,11-18).

Auch Du sollst das Wenige, das Du vom Evangelium verstanden hast, im Leben verwirklichen und weitergeben. Dann geschieht etwas Erstaunliches: Indem Du das Geheimnisses der Auferstehung Christi weitergibst, verstehst Du es selbst immer besser. So gewinnt dieses Geheimnis eine immer größere Bedeutung in Deinem Leben.

Du bist aufgerufen, mit vielen Anderen eine Zukunft des Friedens zu bauen.

Du gehörst zu einem Volk, das Brücken bauen kann: zwischen West- und Osteuropa, zwischen der Generation von gestern und der von morgen, zwischen dem Litauen der Vergangenheit und dem, das am Entstehen ist.

Ja, Du kannst zu einer Kultur beitragen, die stärker vom Vertrauen als von Misstrauen geprägt ist. Sei in Deiner Umgebung ein Träger der Freundschaft! Geh auf andere zu! Geh auf Menschen zu, die leiden! Nicht spektakuläre Aktionen verändern die Welt, sondern Menschen, die in ihrem Alltag aus der Liebe handeln.

Meine Brüder in Taizé und ich gehen diesen Weg in tiefer Gemeinschaft mit Dir.

Letzte Aktualisierung: 2. Mai 2009