Watson, 2. Januar 2011
„Wir nutzen die Gelegenheit, um uns im Namen des haitianischen Volkes bei allen Menschen zu bedanken, die uns ihre Solidarität gezeigt und uns gerettet haben. Besonders danken möchten wir für das Gebet am 12. jeden Monats. So viele Zeugnisse der Barmherzigkeit, der Güte, Freundschaft und brüderlicher Liebe helfen uns jeden Tag, die Flamme der Hoffnung am Leben zu erhalten.“
Junge Haitianer, die in den vergangenen Jahren in Taizé als Freiwillige mitgelebt hatten, schreiben:
Jean-Paul, 15. Januar
Ich danke Gott, dass er mich vor solch einem plötzlichen Tod bewahrt hat. Aber es wäre besser gewesen, zu sterben, als in der hiesigen Situation zu leben. Es gibt nichts zu Essen, Geldüberweisungen von Auswärts kommen nicht an, denn auch die nicht eingestürzten Banken sind geschlossen. Alle Universitäten sind zerstört. Leichen liegen auf den Straßen, und die ersten Seuchenfälle sind bereits aufgetreten. Soviel ich auch sage, man kann sich diese Hölle nicht vorstellen. Warum wir? Unsere Gemeindekirche steht nicht mehr. Wir schlafen auf der Straße. Wenn Ihr das mit eigenen Augen sehen könntet… Die Hauptstadt ist zerstört, aber auch die Provinzstädte sind schwer betroffen, und dort kommt ihnen niemand zu Hilfe. Wir können nicht einmal unsere Nächsten beerdigen.
Karl, 18. Januar
Danke für dieses kleine Wunder, das das Gebet von Taizé in meinem Leben bewirkt hat. Als ich aus den Trümmern stieg, hatte ich ein Baby auf dem Arm. Ich weiß nicht, wie ich dazu in der Lage war; als alles anfing, sah ich meinen Freund George unter einem Haufen aus Betonteilen verschwinden. Viele streckten mir ihre Hände entgegen und baten um Hilfe. Aber ich war zu schwach, um die Trümmer aus Beton und Eisen anzuheben, so lagen sie dort bis sie nach zwei Tagen starben… Ich habe Steve und George nicht wieder gesehen… ich hoffe, sie sind in Sicherheit. Friede und Klarheit, danke für dieses Vermächtnis Frère Rogers.
Richard, 21. Januar
In der Nacht kommt es mir vor, als gäbe es keinen Unterschied mehr zwischen Tod und Leben.
Seit mein Land am Dienstag, den 12. Januar, im Chaos versunken ist, sehe ich mehrere Jahrzehnte in fünf Sekunden des Bebens untergehen. Die Hoffnung ist verschwunden: kein Geld mehr, kein Job, Zehntausende ohne Unterkunft, kein Wasser, kein Essen, kein Strom.
Zuvor kümmerte sich der Staat nicht um die Menschen; nun kann man sagen, er hat die Flucht ergriffen.
Unter den Trümmern verfaulen die Leichen nach neun Tagen. Es herrscht ein fürchterlicher Gestank in fast allen Stadtteilen; wir schlafen im Freien neben dem Müll, dem Geruch von Urin und Fäkalien. Seuchen unbekannter Art werden sich ausbreiten. Aber Gott ist groß und er ist die Liebe, er hat für uns bereits einen Plan der Liebe. Die Gesänge aus Taizé, „Jésus le Christ“ und „Fiez-vous en lui“ verleihen mir eine Kraft und ein Vertrauen, die ich mir nie hätte vorstellen können. Ich bitte Euch sie oft in den Gebeten zu wiederholen in Erinnerung an Haiti.
Versucht Euch einen Moment vorzustellen: eine Generation, die so gut wie nicht auf eine Naturkatastrophe vorbereitet war, ist von den Naturgewalten zerrissen worden. Ich wusste nicht, dass die Nachbeben so stark sein können; die ganze Nacht schlafe ich mit Herzklopfen und wenn ich einschlafe und die Erde wieder bebt, bleibt mir der Atem stehen.
Panik entstand, da es nicht mehr viele Polizisten gibt und viele Gefangene entkamen. Jede Nacht geschehen Raubüberfälle, Vergewaltigungen, Schießereien.
Aber noch schlimmeres Unheil richten sie mit Gerüchten an. Am Dienstag, wenige Stunden nach der Tragödie, lief eine Gruppe von Verbrechern – nur um an das zu kommen, was den Überlebenden noch geblieben war – mit der Warnung umher, dass das Wasser steigt: „Tsunami“. Stellt euch vor, wie Schwerverletzte, mit gebrochenen Knochen, versuchten davonzulaufen. Oh Gott!
Bittet alle Menschen auf der Welt, zwölf Monate am 12. jedes Monats für die Menschen in Haiti zu beten. Zögert nicht; es ist sehr wichtig!
Ein Bischof :
Bischof Pierre Dumas, Vorsitzender der Caritas von Haiti und ein guter Freund der Communauté, schrieb am 21. Januar:
„… Ich denke, unsere Liebe und die Art und Weise wie wir mit dieser Krise umgehen, werden uns menschlicher werden lassen, großherziger, offener und verfügbarer für andere; die symbolischen Formen unseres Zusammenlebens wurden zerstört. Alle Symbole, die uns vereinten: den Dom, den Präsidentenpalast, Ministerien, Schulen, Ordensgemeinschaften und viele andere Orte gibt es nicht mehr.
Nun müssen wir unser Zusammenleben wieder aufbauen, und zwar so, dass Vorurteile und Diskriminierung beseitigt und Vertrauen geschaffen wird. Wir müssen dies in einem Geist tun, der Solidarität unterstützt und Unvorgenommenheit. Ich denke, dass dieses Ereignis uns die Möglichkeit bietet, unser Land neu und anders wieder aufzubauen und zu erkennen, was uns verbindet… Dies bedeutet, die Dinge nicht wieder so aufzubauen wie sie waren, wir können ein besseres Haiti aufbauen, in dem der Mensch im Mittelpunkt steht.“