Pierre Teilhard de Chardin (1881-1955): Die Welt ernst nehmen

Ein Bruder der Communauté beschreibt anhand der Vision Teilhard de Chardins wie wichtig es ist, dass man Glaube und Anteilnahme am Schicksal der Welt nicht voneinander trennt.

Ein Kind hält ein Stück Holz in der Hand und ein Gedanke lässt ihn nicht mehr los: Das Holz wird eines Tages verfaulen. Dann nimmt es einen Stein, aber es weiß, dass auch der Stein dazu verurteilt ist, einmal zu zerbröckeln. Als es schließlich einen Gegenstand aus Eisen in der Hand hat glaubt es, dieser würde der Zersetzung widerstehen. Pierre Teilhard de Chardin wurde 1881 geboren und hatte als Kind eine ähnliche Erfahrung. Er suchte nach etwas, das dem Tod widerstehen könnte.

Als Jesuit und weltbekannter Wissenschaftler gelangte er zu einer Sichtweise des christlichen Glaubens, welche die Empfindungen der Menschen seiner Zeit berücksichtigte, die sich ihrer Macht, die Welt zu verändern stärker bewusst waren, aber auch mehr Angst hatten vor der Vergänglichkeit allen Lebens.

Teilhard wusste, dass sich für viele seiner Zeitgenossen die Wirklichkeit auf die sichtbare Welt beschränkte. Von Gott zu sprechen, ohne dies zu berücksichtigen, würde unwissentlich den Unglauben fördern. Er war davon überzeugt, dass Gott die Welt ernst nimmt, und dass die Person Christi für ihre Zeitgenossen Wirklichkeit wird, wenn auch die Christen sie ernst nehmen. Wenn Teilhard die Wirklichkeit betrachtete, sah er nicht den Tod, sondern den Auferstandenen, der seine Solidarität mit der Welt zum Ausdruck bringt. Für ihn steht der auferstandene Christus nicht im Wettstreit mit der Welt, er verleiht ihr Zukunft. Teilhardt verstand es, Widersprüche zu vereinen. Auf diese Weise fand er den Geist wieder, in dem die Christen der ersten Jahrhunderte das Christentum gesehen hatten. Unter diesen befindet sich Irenäus, im zweiten Jahrhundert Bischof von Lyon, dem es nicht in den Sinn gekommen wäre, einen Gegensatz zu sehen zwischen der geschaffenen Welt und dem Leben in Ewigkeit mit Gott. Der Philosoph Maurice Blondel, ein Zeitgenosse Teilhards, formulierte dessen Sicht folgendermaßen: „Die Menschen fürchten Verwechslung und Chaos. Wir aber sollten uns fürchten, nicht genug Einheit zu stiften… In Wahrheit ist es nämlich so: Wir fürchten uns dann vor Chaos, wenn wir es nicht fertigbringen, zu vereinen. Wenn die Menschen heute immer mehr zum Christentum auf Distanz gehen, dann liegt das vielleicht daran, dass wir das Christentum allzu oft aus dem Bauch der Menschheit herausgerissen haben.“ (Zitiert nach Henri de Lubac, Teilhard posthum)

Teilhard wollte seinen Zeitgenossen „die innige Verbindung zwischen dem Triumph Christi und dem Erfolg, den die menschliche Arbeit hier auf Erden sucht“ aufzeigen. Er fand in der Bibel nichts, was die irdische Arbeit herabwürdigen würde, sondern was sie als Teil eines weitergehenden Prozesses sieht. Er sah in der menschlichen Arbeit nicht – wie viele andere – eine „Strafe“, sondern die Erfüllung. Das heißt nicht, dass er das Reich Gottes mit irdischem Erfolg verwechselt hätte. Er wusste, dass Gottes freie und unverdiente Tat alles verklären muss. Aber es ist wirklich diese Welt, die Gott verklärt.

Am deutlichsten bewahrheiten sich Teilhards Einsichten in der Eucharistie. Was geschieht mit Brot und Wein, „Frucht der Erde und der menschlichen Arbeit“? Sie werden Leib und Blut Christi. Das bedeutet, dass sie eine unerwartete Zukunft haben, die sie sich nicht selbst geben können. Dann versteht man Teilhard, wenn er sagt: „In Wahrheit ist es nicht die in sich abgeschlossene, geschaffene Welt, sondern das Gespür für die gegenseitige Ergänzung Gottes und der Welt, die dem Christentum sein Leben schenkt.“

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