Ostern 2017

Zeugen des auferstandenen Christus

Donnerstag, 20. April 2017

In diesen Tagen singen wir immer wieder: „Christus ist auferstanden!“ Wir können diese für unseren Glauben so zentrale Wahrheit nicht in Worte fassen, doch wir können gemeinsam die Auferstehung Jesu singen. Das hilft uns, diesem Geheimnis zu vertrauen, das uns übersteigt.

Worin besteht dieses Geheimnis? Christus ist von den Toten auferstanden und dadurch für jeden Einzelnen von uns gegenwärtig. Er liebt ausnahmslos jeden Menschen, und zwar für immer.

In der vergangenen Woche hat mich ein Jugendlicher gefragt, wie ich mit einfachen Worten die Auferstehung Jesu jemandem erklären würde, der unseren Glauben nicht teilt. Die Frage ist nicht leicht zu beantworten und so habe ich ihm von den Brüdern unserer Communauté erzählt, die seit über vierzig Jahren unter sehr armen Menschen in Bangladesch leben.

Die Bevölkerung dieses Landes besteht fast ausschließlich aus Muslimen. Wie kann man unter Muslimen als Zeugen der Auferstehung Christi leben? Auf jeden Fall nicht, indem man viele Worte macht, sondern dadurch, dass wir für die Menschen da sind und ihnen nahe sind, indem wir ihren Sinn für Schönheit und Poesie bewundern, aber auch, indem wir ihr Leid mittragen und sie spüren lassen, dass sie geliebt sind.

Wir leben alle in einer Gesellschaft, in der viele Menschen die Hoffnung verloren haben. Es gibt Gewalt und Krieg, Attentate – wie kürzlich in Ägypten und Schweden. Wie können wir da für die Hoffnung der Auferstehung Zeugnis ablegen? Zuallererst nicht, indem wir viele Worte machen; wir werden vielmehr durch unser Leben zu Zeugen der Liebe, die Christus für jeden Menschen hat.
Christus hat durch seine Auferstehung eine Brücke gebaut zwischen dem Tod und dem Leben, zwischen Hoffnungslosigkeit und Hoffnung, eine Brücke, die über den Tod und jegliche Form von Gewalt hinausführt. Wenn wir ihm nachfolgen, können wir wie er Brücken bauen, selbst dort, wo es unmöglich scheint.


Wo Spaltungen, Trennungen und Brüche bestehen, können wir Frieden, Versöhnung und Gemeinschaft stiften. Auf diese Weise legen wir durch unser Leben Zeugnis für die Auferstehung ab. Früher oder später wird man uns Fragen stellen, sodass wir von unserem Glauben sprechen können.

Ich denke dabei auch an die Flüchtlinge, die wir hier auf dem Hügel aufgenommen haben. Sie kommen aus dem Sudan, aus Eritrea, Afghanistan, dem Irak und aus Syrien und sie sind fast alle Muslime. Wir leben nahe beieinander und sind auf diese Weise Freunde geworden. So ist es manchmal auch möglich, über unseren Glauben zu sprechen.

Vergessen wir nicht, dass Christus uns durch seine Auferstehung zuallererst auffordert, menschlicher zu werden und nicht dazu, viele Worte zu machen.


Am nächsten Dienstag erwarten wir einen ganz außergewöhnlichen Besuch, den Patriarchen Bartholomäus aus Istanbul, dem früheren Konstantinopel. Es ist das erste Mal, dass ein Patriarch von Konstantinopel nach Taizé kommt.

Dieser Patriarch ist Ehrenoberhaupt aller orthodoxen Kirchen. Er ist ein sehr gütiger und offener Mensch, der sich unermüdlich für die Einheit der Christen und die Bewahrung der Schöpfung einsetzt. Wir fühlen uns mit der Orthodoxen Kirche sehr verbunden und sein Besuch ist für uns eine große Freude.

Für unsere Communauté haben die orthodoxe Tradition und die in der Ostkirche gelebten Werte eine große Bedeutung: die Auferstehung Christi, die dort im Mittelpunkt steht, und die Rolle des Heiligen Geistes, die Treue zu den Kirchenvätern, das liturgische Leben, die Ikonen, aber auch der Mut, mit dem die Glaubenden Jahrzehnte großen Leids durchlebt haben.

Seit Jahren nehmen orthodoxe Jugendliche vor allem im Sommer an den Wochentreffen hier teil, aus Russland, der Ukraine, Serbien, Rumänien und darüber hinaus. Allein schon ihre Gegenwart wirft für die Jugendlichen im Westen, denen sie hier begegnen, die Frage auf: „Wie können wir noch mehr all die Gaben miteinander teilen, die Gott den Christen des Ostens anvertraut hat?“
Damit ihr all diese Schätze der Christen der Ostkirche kennenlernen könnt, würde ich euch am liebsten einladen, am Sonntag nicht nach Hause zu fahren, sondern noch bis Dienstag zu bleiben, um mit uns zusammen den Patriarchen von Konstantinopel zu empfangen. Aber ich fürchte, ihr werdet nicht alle bis Dienstag bleiben können.


Nach den großen Sommertreffen werden wir im September einen anderen Zweig der östlichen Christen besuchen, und zwar die Christen in Ägypten. Mit einigen meiner Brüder und den Jugendlichen, die mitkommen wollen, treffen wir in Kairo junge Ägypter zu einem mehrtägigen Pilgerweg in diesem Land.

Und der Pilgerweg des Jahres 2017 geht Ende Dezember in Basel zu Ende, wo alle Jugendlichen zum Europäischen Treffen in drei Ländern zugleich erwartet werden, in der Schweiz, Frankreich und Deutschland.

Aber vorher möchte ich den heute so zahlreich vertretenen Deutschen sagen, dass ich mich schon darauf freue, im Rahmen des Kirchentags am Samstag, den 27. Mai in Wittenberg zu sein, wo wir eine Gebetsnacht unter freiem Himmel vorbereiten. Zum Jahrestag der Reformation im 16. Jh. beten wir dort für die Einheit aller Christen.



Foto: Cédric Nisi

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