Pfingsten 2019
Damit Taizé ein Ort des Vertrauens bleibtDonnerstag, 13. Juni | Taizé Am vergangenen Sonntag war Pfingsten, ein Fest, das viel mit der Freude von Ostern zu tun hat. Ja, Pfingsten ist der Abschluss der Osterzeit. Jesus hat den Tod besiegt. Er lebt bei Gott. Leid, Hass und Gewalt hatten nicht das letzte Wort. Das Pfingstfest erinnert uns an eine Verheißung Jesu. Vor seinem Tod hatte er seinen Jüngern auf geheimnisvolle Weise angekündigt, dass er ihnen einen „Anderen“ – als ihn – schicken werde, der immer bei ihnen sein werde. Diese Verheißung gilt auch uns: Dieser Andere, der bei uns ist, ist der Heilige Geist, der mit jedem Menschen vereint ist. Doch kurz vor seinem Tod hat Christus selbst die schreckliche Erfahrung gemacht, verlassen worden zu sein. Wir wissen, das fast alle Jünger ihn im schlimmsten Moment seines Lebens allein gelassen haben – alle, außer seiner Mutter Maria, zwei weiteren Frauen und einem Jünger. Als der Auferstandene dann zu den Jüngern kam, mussten diese ihr Versagen zugeben – sie, die zuvor erklärt hatten, dass sie sogar mit Jesus in den Tod gehen würden. Aber Jesus lässt das Geschehene nicht auf sich beruhen. Er nimmt den Kontakt mit ihnen wieder auf und schenkt ihnen erneut sein Vertrauen. Er sendet sie in die Welt. — Ich möchte heute Abend auf ein sehr ernstes Thema eingehen, über das wir bereits in den letzten Tagen gesprochen haben. Ihr wisst wahrscheinlich, dass wir Brüder einen schmerzhaften Abschnitt der unserer Communauté durchleben. Vor zehn Tagen habe ich bei Gericht fünf Vorwürfe von sexueller Gewalt gegen drei Brüder der Communauté an Minderjährigen in den Jahren 1950 bis 1980 gemeldet. Wir Brüder sind von tiefer Trauer erfüllt, wenn wir an die Betroffenen denken. Wir sind es vor allem ihnen schuldig, uns auf diese Weise um Wahrhaftigkeit zu bemühen; wir müssen diesen Ereignissen ins Auge sehen. Wenn man es nie selbst erlebt hat, kann man sich nicht vorstellen, wie schwierig es für Betroffene ist, darüber zu sprechen. Oft gelingt dies erst nach sehr langer Zeit. Als ich von dem ersten Fall erfuhr, und dann von den anderen, ging es uns in allererster Linie darum, den Betroffenen zuzuhören und ihnen vorbehaltlos zu glauben. Vor einiger Zeit haben wir ihnen dann gesagt, dass wir einen nächsten schwierigen Schritt tun müssen, nämlich die Justiz einzuschalten und die Vorfälle offenzulegen. Ich glaube, dies ist der einzige Weg, damit Taizé ein Ort des Vertrauens bleiben kann. — So viele Menschen verschiedenen Alters entdecken oder vertiefen hier ihr Vertrauen in Gott und in die anderen! Wir möchten alles tun, damit ihr die Freude und die Freiheit des Glaubens finden könnt. Aber wir müssen mit den Worten des Apostels Paulus bekennen: „Wir Brüder tragen den Schatz der Gegenwart Gottes in zerbrechlichen Gefäßen.“ Heute Abend möchte ich euch bitten: Betrachtet uns niemals als geistliche „Meister“, denkt nie, wir wären Menschen, die das Ziel bereits erreicht hätten. Durch unser gemeinsames Leben möchten wir nichts anderes, als unsere Hoffnung zum Ausdruck zu bringen. Und damit folgen Jesus wie arme Menschen des Evangeliums nach – mit unseren Schwächen, unseren Fehlern und den Wunden aus unserer eigenen Geschichte. Dabei möchte ich ganz klar sagen, dass unsere Schwachheit niemals eine Tat von Gewalt rechtfertigt; ich verurteile entschieden, wenn ein Bruder seine Autorität missbraucht und die Unversehrtheit einer Person verletzt. Wir haben nicht den Anspruch, fortgeschrittener oder besser zu sein als andere. Was uns verbindet, ist die Entschlossenheit, zu Jesus Christus zu gehören. Diese Entscheidung überträgt uns eine große Verantwortung: Wir möchten in letzter Konsequenz dem gemäß leben und gemeinsam mit euch im Glauben unterwegs sein. Wenn jemand von euch darüber sprechen möchte, stehen mehrere Brüder und Schwestern, Priester und Pastoren jeden Abend bereit, euch hier in der Kirche zuzuhören. — Zum Schluss habe ich noch eine gute Nachricht: Am Samstag wird ein junger Mann in die Communauté eintreten. Sein Name ist Petr und er kommt aus Tschechien. Er wird während des Abendgebets das weiße Gebetsgewand bekommen. Schon heute singen wir auf Tschechisch: „Staňte se soli, soli země“ (Seid das Salz der Erde!) Wir möchten, dass jeder von euch hier spürt: Gott nimmt uns an, so wie wir sind; er ist bei denen, die leiden, und möchte uns an der Freude teilhaben lassen, die bleibt. |