TAIZÉ

Bukarest, Ostern 2016

An den Quellen der Rumänisch-Orthodoxen Tradition

 
Auf dieser Seite werden Erfahrungsberichte Jugendlicher erscheinen, die am Internationalen Pilgerweg zum orthodoxen Osterfest in Bukarest teilgenommen haben. Fotos vom Pilgerweg wurden bereits hier veröffentlicht.

Tobias (Deutschland)

Bei der Ankunft wurde ich am Flughafen und dann in der Theologischen Fakultät ganz herzlich begrüßt; von dort ging es weiter in die Gastgemeinde und in meine Gastfamilie. Am Mittwochabend betrat ich zum ersten Mal in meinem Leben eine orthodoxe Kirche. Es war eine kleine Kirche mit sehr schönen Gemälden und Ikonen – und überall war Gold. Ich war beeindruckt, obwohl ich mir alles anders vorgestellt hatte. Dann begann der Gottesdienst, aber auch die orthodoxe Musik war völlig anders, als ich es erwartet hatte. Es war sehr schön, aber ich fühlte mich trotzdem irgendwie fremd.

In den letzten Tagen hatte ich viele interessante Gespräche: zuerst mit einer alten Frau vor der Kirche – sie sprach weder Englisch noch Deutsch und da ich kein Rumänisch spreche, mussten wir uns mit Händen und Füßen verständigen. Die Frau zeigte uns, wie man das Kreuzzeichen nach der orthodoxen Tradition macht und sie zeigte uns den Unterschied zu dem, wie es im Westen gemacht wird. Dann trafen wir zwei Pfarrer in unserer Gastgemeinde. Wir sprachen über die Unterschiede und über das, was wir an gemeinsamen Symbolen in der Kirche haben; danach zeigten und erklärten sie uns die Kirche.

Nach zwei Tagen, als das Abendgebet anfing und die Gemeinde zu singen begann, fühlte ich mich plötzlich wie zu Hause und versuchte sogar mitzusingen. Ich konnte kein einziges Wort richtig aussprechen, aber die Menschen um mich herum, in dieser wunderbaren Kirche und dieser wunderbaren Atmosphäre, waren für mich Freunde.


Monique (Niederlande)

Die Gastfreundschaft in Bukarest war großartig. In Rumänien wird die Fastenzeit sehr ernst begangen, aber das bedeutet nicht, dass man nichts isst – es bedeutet ganz einfach, dass man viel Gemüse und Lebensmittel isst, aber keine Milchprodukte. Die Gastfamilien waren sehr nett! Unsere Gastmutter sprach nur Rumänisch und ein wenig Französisch. Den einzigen Satz, den sie absolut nicht verstand, war: „Können wir Ihnen etwas helfen?“ Ansonsten kommt man mit Körpersprache überall durch! Ich bin wirklich sehr dankbar für diese Zeit in Rumänien und besonders dafür, dass ich das Osterfest hier feiern durfte.

Theodor (Bulgarien)

Am Karfreitag hat man noch die verschiedenen Evangeliumslesungen vom Vorabend im Ohr: die Passionsberichte. Die ganze Kirche ist an diesem Tag mit Blumen geschmückt, die die Leute tagsüber vorbeigebracht haben. Alles ist sehr schön hergerichtet und gleichzeitig werden Lesungen aus dem Buch der Klagelieder gelesen. Man kann die tiefe Trauer im Herzen der Menschen kaum verstehen, aber gleichzeitig weiß man, dass all dies geschehen musste … für dich. Die anschließende Prozession ist sehr feierlich und still, aber sie deutet gleichzeitig schon die Auferstehungsprozession am Ostertag an. Wenn man zur Kirche zurückkommt, ist bereits der weiße Vorhang zu sehen, auf dem die Worte stehen: „Hristos a înviat – Christus ist auferstanden“. Du weißt, er ist nahe, obwohl wir gerade erst am Begräbnis des Retters teilgenommen haben. Der Karfreitagsgottesdienst ist ein Moment des Übergangs, ein Vorgeschmack der Auferstehung.


Josy (Deutschland)

Am Karfreitag hatten wir die Gelegenheit, die „St. Panteleimon-Gemeinde“ zu besuchen. Auch hier war die rumänische Gastfreundschaft der verschiedensten Menschen überwältigend: der Pfarrer erklärte den Karfreitagsgottesdienst; Julia, die Rektorin einer Schule, sprach mit Begeisterung über ihren Beruf und wie sie Gott in den Kindern erkennt; Ruxandra, ein zwölfjähriges Mädchen, deren perfektes Englisch mich faszinierte, aber mehr noch ihr strahlendes Lächeln über beide Ohren; die Leiterin einer Palliativstation, die ihre schwere Arbeit so hingebungsvoll ausübt.

All diese Begegnungen haben mir gezeigt, dass wir trotz unserer verschiedenen Riten, die wir nicht immer verstehen, doch alle Gott suchen; alle, denen ich begegnet bin, sind wie ich davon überzeugt, dass Gott Liebe ist!

Iryna (Weißrussland)

In Bukarest kommen die Menschen am Karfreitag mit Blumen in die Kirche. Ich verstand zunächst nicht, warum die Leute an so einem ergreifenden Tag Blumen vor dem Kreuz ablegen. Am Ende des Abendgottesdienstes erklärte der Pfarrer, dass jeder beim Verlassen der Kirche eine der Blumen bekäme – und dass man diese bis Ostern, als Zeichen der Liebe, aufheben solle. Christus ist Liebe, er ist am Kreuz gestorben, um uns ewiges Leben zu schenken – das Kreuz ist nicht ein Zeichen des Todes, sondern der Liebe. Und wenn wir als Glaubende am Karfreitag vor einem großen Kreuz stehen, sehen wir es bereits im Licht des auferstandenen Christus, und nicht als Zeichen der Demütigung. Hier in Bukarest war der Karfreitag ein Zeichen großer Hoffnung und ein Zeugnis für die grenzenlose Liebe Gottes zu den Menschen; dieser Tag bezeugt, dass Christus Tod und Angst besiegt hat.


Ania (Polen)

Die Fastenzeit in Bukarest, die Gottesdienste und der Alltag mit den orthodoxen Gläubigen ist eine einmalige Gelegenheit, ihren Glauben und ihre Osterbräuche kennenzulernen. Es ist erstaunlich, wie offen die Menschen waren, und wie viel ihnen daran lag, diese besondere Zeit mit uns zu verbringen. Nicht nur dadurch, dass sie uns zu sich nach Hause eingeladen haben, sondern auch dadurch, dass sie ihren Glauben mit uns teilten.

Ladyna (Deutschland)

Hier in Bukarest habe ich eine neue Dimension der Gastfreundschaft erlebt. Die Mutter unserer Gastfamilie hat uns nicht nur die Tür ihrer Wohnung geöffnet, sondern auch ihr Herz, um ihr Leben ohne zu zögern mit uns zu teilen. Die orthodoxen Gebete und die Schönheit der Gesänge machten mir deutlich, dass man das Wertvollste eher mit dem Herzen als mit dem Verstand verstehen kann.


Matthijs (Niederlande)

Seit einiger Zeit interessiere ich mich für die orthodoxe Kirche und ihre Traditionen. Aber bislang habe ich hauptsächlich russisch-orthodoxe Christen erlebt. So habe ich in Rumänien zum ersten Mal orthodoxe Kirchen genauer betrachtet. Während russische Kirchen im allgemeinen quadratisch angelegt sind, sind rumänische Kirchen in Kreuzform gebaut und nach Osten ausgerichtet. Ich habe hier auch mehr über Ikonen erfahren: Die Muttergottes zum Beispiel hält den kleinen Jesus entweder mit der rechten oder mit der linken Hand, oder mit beiden Händen. Auf solche Einzelheiten habe ich bisher nie geachtet. In russisch-orthodoxen Kirchen habe ich über dem Ausgang der Kirche immer Ikonen vom Letzten Gericht gesehen, während in Rumänien dort die Gründer der Kirche dargestellt sind. Ich hab so viel Neues erfahren, dass dies und auch die Gastfreundschaft der Rumänen eine großartige Erfahrung für mich war!

Jakob (Deutschland)

Während unseres Besuchs in Bukarest habe ich besser verstanden, was es bedeutet, „Schwestern und Brüder in Christus“ zu sein. Diese Worte kommen uns manchmal sehr leicht über die Lippen, aber für mich haben sie hier durch die Freude der Auferstehung einen konkreten Sinn erhalten. So wie Frère Roger oft sagte: „Der auferstandene Christus führt uns zusammen.“
Ich möchte allen Kirchengemeinden danken, die Jugendliche aufgenommen haben. Solche Treffen müssen stets der erste Schritt sein auf dem Weg zur Einheit aller Christen. Ich werde diese gemeinsamen Erfahrungen immer im Herzen bewahren.

Letzte Aktualisierung: 4. Mai 2016