Das zweite „Wochenende christlich-muslimischer Freundschaft“ begann am Donnerstag, als Frère Alois die Anwesenden, unter ihnen besonders die jungen Muslime, begrüßte:
Euer Vertrauen berührt uns. Ihr wisst, dass unsere Communauté der christlichen Tradition angehört, und habt euch entschlossen, diese Tage hier zusammen mit uns zu verbringen. ... Ich hoffe, dieses Wochenende wird für jeden von uns eine geistliche Erfahrung, die das Herz weit macht.
Zusätzlich zu den 2.500 jungen Menschen, die in dieser ersten Woche der Sommertreffen auf dem Hügel waren, trafen sich 300 christliche und muslimische Jugendliche für drei Tage, um über ihren Glauben anhand des Themas „Inneres Leben und geschwisterliches Miteinander“ zu sprechen. Es gab Redebeiträge, Workshops, Austauschgruppen, Gebete, Musik und ein gemeinsames Essen: Jeder konnte sich auf seine Weise dem Thema nähern.
Am ersten Tag wurden vor allem Fragen über den Glauben, den Dialog, das Gebet und unsere Beziehung zu Gott gestellt. Professor Ousama Nabil von der Al-Azar Universität in Kairo sprach am Freitag über den Glauben. Für ihn kann man eine Religion vererbt bekommen, aber nicht den Glauben. Der Glaube ist ein Austausch, eine persönliche Beziehung zu Gott. Das Gebet ist durch die ständige Anbetung im Herzen das Mittel zum Dialog mit Gott. Er zitierte den Hadith 13: „Ihr habt keinen Glauben solange ihr nicht für eure Brüder und Schwestern das geliebt habt, was ihr für euch selbst geliebt habt.“
Jean-Marc Aveline, Weihbischof von Marseille und in der französischen Bischofskonferenz für den interreligiösen Dialog zuständig, räumte ein, dass der Dialog eine Prüfung für den Glauben sei. Wir müssen annehmen, dass es im anderen etwas Wahres gibt, das ich vielleicht nicht verstehe. Ich muss akzeptieren, dass Gott größer ist als ich dachte. Wir müssen auf Gott schauen und ihn fragen: „Wer bist du, dass alle glauben, dass du sie persönlich ansiehst?“ Der Bischof sprach auch über die Gefahr, das Absolute Gottes mit dem Absoluten einer Institution zu verwechseln. Im Dialog und in der Begegnung mit Gläubigen einer anderen Tradition muss man diese Falle umgehen, ohne das Erbe der Gläubigen der vergangenen Jahrhunderte, die uns Tag für Tag im Gebet tragen, abzulehnen.
Über Frieden, Versöhnung und Dialog zu sprechen bedeutet auch, Raum zu schaffen, um auf die Wut, die Schmerzen derjenigen zu hören, die Gewalt und sogar Krieg erleben, die mit Religion verquickt sind. – Am Samstag haben uns zwei Frauen von ihren persönlichen Erfahrungen mit Gewalt und von ihrer Hoffnung erzählt.
Onjali Rauf, muslimische Gründerin und Präsidentin der Menschenrechtsorganisation „Make her story“ in England, sprach über die Situationen der Gewalt, in denen sie Menschen begleitet, und ihr Bemühen, sich diesen Situationen zusammen mit Gott zu stellen. Sie erzählte uns, dass sie auf Gott wütend war, aber auch denke, dass wir das Recht haben, unsere Wut zum Ausdruck zu bringen. Gott sei groß genug, um unsere Wut und unsere Zweifel zu ertragen. Dann sprach sie über die Güte und darüber, wie wichtig es sei, unsere eigenen guten Taten nicht zu unterschätzen.
Schwester Mariam An-Nour, Direktorin der Meshref-Schule im Libanon, erinnerte uns daran, dass „das Gegenteil von Gewalt nicht der Frieden zwischen verschiedenen Parteien ist, sondern das Bindeglied zwischen verschiedenen Personen, die zu verschiedene Gemeinschaften gehören.“ Der anglikanische Pfarrer Guy Wilkinson antwortete darauf, indem er über die Freundschaft sprach: Diese besteht im Wagnis, zum anderen Ja zu sagen. Das ist die Herausforderung für die heutige Jugend: Aus Freundschaft Ja zu sagen zu Menschen, die nicht so aussehen wie wir.
Am Ende des Treffens fasste Bischof Aveline zusammen: „Der Dialog ist nicht einfach, aber daran zu glauben und mit kleinen Gesten an ihm teilzunehmen, macht das Unmögliche möglich.“