TAIZÉ

Worte von Frère Alois

WJT Lissabon | Christus blickt mit Liebe auf uns

 
Worte von Frère Alois während des ökumenischen Abendgebets beim Weltjugendtag in der Kirche São Domingos in Lissabon | 3. August 2023

Wir haben heute Abend die Stelle aus dem Lukasevangelium gehört, wo Jesus einem Schriftgelehrten auf die Frage antwortet: „Wer ist mein Nächster?“ Jesus antwortet, wie so oft, nicht direkt, sondern mit einer Geschichte.

In dieser Geschichte geht es um einen Verletzten, der halb tot am Straßenrand liegt. Ein Priester und ein Levit gehen vorüber. Erst ein Mann aus einem fremden Land namens Samarien bleibt stehen, versorgt den Verletzten und bringt ihn in eine Herberge.

Diese Geschichte ist wie eine Zusammenfassung des Evangeliums: Sie zeigt, mit welcher Liebe Christus auf uns blickt. Gott nimmt sich der verwundeten Menschheit an. Er kommt nicht, um zu verurteilen, sondern um zu helfen und zu heilen. Und er fordert uns auf, dasselbe zu tun.

Ja, wir können die Barmherzigkeit Christi annehmen und uns zu den verwundeten Menschen senden lassen. Wie der Samaritaner können auch wir ohne Angst auf diejenigen zugehen, die am Rand unseres Weges liegen. Ich denke dabei vor allem an die Migranten, deren Zahl auf der ganzen Welt ständig zunimmt.

Wenn wir unsere Kraft dafür einsetzen, unserem Nächsten zu helfen und Unrecht zu beseitigen, dann entdecken wir, dass Christus selbst in dem Verletzten und Verlassenen am Straßenrand gegenwärtig ist; er selbst wartet auf unser Erbarmen.

In der Geschichte kommt es zu einer Umkehr, als Jesus den Schriftgelehrten fragt: „Was meinst du: Wer von diesen dreien hat sich als der Nächste dessen erwiesen, der von den Räubern überfallen wurde?“ Der Nächste ist nicht mehr nur derjenige, den ich zu lieben, zu helfen oder zu retten berufen bin, sondern derjenige, der da ist, um zu lieben, zu helfen und zu retten.

Jeder von uns ist aufgefordert, anderen zu helfen, aber wir müssen uns manchmal auch Hilfe annehmen. Wir sind manchmal selbst verletzt. In der Not schaut Christus voll Güte auf uns. Und dieser Blick der Güte begegnet uns vielleicht in einem Menschen, der ganz einfach bei uns ist.

So liebte Jesus: Er ging auf die Menschen zu und begleitete sie, ohne Bedingungen zu stellen. Das ist der Mut des Evangeliums, für den wir Zeugnis ablegen sollen. Und wir können ihn Menschen erweisen, die entweder weit weg sind oder auch ganz in unserer Nähe leben.

Doch diesen Ruf, den der Text an uns richtet, können wir auch auf die Einheit der Christen beziehen: Müssen wir als Brüder und Schwestern in Christus darin nicht einen dringlichen Aufruf sehen, uns zu versöhnen, die Wunden unserer Spaltungen zu heilen und gemeinsam denen beizustehen, die leiden?

Dies möchten wir am 30. September in Rom mit der „Versammlung des Volkes Gottes“ tun, die wir „Together – gemeinsam“ genannt haben. Diese Versammlung wird zugleich in Rom und an anderen Orten auf der Welt stattfinden, und zwar am Vorabend der Synodenversammlung der katholischen Kirche.

Wir bereiten dieses ökumenische Abendgebet – und für Jugendliche ein ganzes Wochenende – mit über 60 verschiedenen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften vor, von denen einige heute Abend auch hier vertreten sind. Ihr seid bereits jetzt herzlich dazu eingeladen!

Und nun geht unser gemeinsames Gebet vor dem Kreuz weiter: Jeder, der möchte, kann seine Stirn auf das Kreuz legen und damit seine Last und die der anderen Christus anvertrauen. Es ist ein Zeichen dafür, dass der auferstandene Christus in unserem Leid und unseren Schwierigkeiten zu uns kommt.

Letzte Aktualisierung: 7. August 2023