Wer war dieser Mann, der das Denken der westlichen Welt so tief geprägt hat? Für die einen sprach er in unübertrefflicher Weise über die Gnade, die Liebe Gottes. Für andere ist er für eine verzagte Sicht des Menschen verantwortlich, den er mehr von der Sünde als von der Liebe Gottes bestimmt sieht. Im Lauf der Geschichte beriefen sich verschiedenste theologische Strömungen auf ihn, manchmal Anlass zu erbitterten Polemiken.
Stets aber faszinierte sein Weg zum Glauben. Er beschrieb ihn in seinen „Bekenntnissen“ und half unzähligen Menschen, Christus zu finden. Seine Suche führte ihn auf verschlungene Wege. Erst mit dreißig Jahren bejahte er den Glauben. Er bekennt seine Unschlüssigkeit, die Irrtümer der Vergangenheit und gleichzeitig bekennt er in einem hohen Lobpreis, dass Gott bei ihm war, bevor er davon wusste.
Du warst mir näher als ich mir selbst nahe war. Du warst höher als die Höhen in mir.
In seiner nordafrikanischen Heimat war das Gedenken an die Märtyrer für die Glaubenden wesentlich. Das Christentum, wie es im Volk und auch von seiner Mutter gelebt wurde, sagte ihm in der Jugend nicht viel. Auch die Bibel blieb ihm fremd; er konnte keine Berichte ernst nehmen, die Gott mit menschenähnlichen Zügen versahen. Während seiner glänzenden Karriere als Lehrer in Karthago und später in Rom suchte er die Wahrheit in religiösen Kreisen, die dem Christentum mehr oder weniger nahe standen.
Er hält sich in der damaligen Kaiserstadt Mailand auf, als ihn auf dem Höhepunkt seiner Karriere ein persönlicher Umbruch ereilt. Der Bischof der Stadt, Ambrosius, spricht leidenschaftlich über die Bibel. Augustinus beeindruckt, dass der Bischof „ein glücklicher Mensch“ ist. Eines Tages sagt ihm in einem Garten eine Kinderstimme, er solle die Bibel aufschlagen. Er stößt auf Worte des Apostels Paulus und begreift, dass diese Worte Herz und Leben ändern können. In der Osternacht 387 wird er von Ambrosius getauft. Man kann das Baptisterium bis heute im Mailänder Dom sehen.
Seine große Erkenntnis ist die die Demut Gottes. Gott der alles übersteigt, was wir uns vorstellen können, kommt uns durch ganz menschliche Worte der Schriften nahe, in denen es zu suchen gilt, was uns nährt, so wie man eine Nuss knackt, um an ihr Inneres zu kommen. Der Abstieg Gottes in Christus durch die Menschwerdung und die äußerste Erniedrigung am Kreuz sind für ihn ein für alle Mal Quelle des Staunens und eines neuen Lebens.
Verachtet euch nicht selbst, Männer: Der Sohn Gottes hat sich mit Mannsein überkleidet. Verachtet euch nicht selbst, Frauen: Der Sohn Gottes wurde aus einer Frau geboren. Wer könnte an sich selbst verzweifeln, wo doch der Sohn Gottes für uns so demütig sein wollte.
Sein Weg der Umkehr ist damit nicht vollendet, letztlich setzt er ihn bis zum Lebensende fort. Lange kann er seinem Ideal eines ruhigen, mit einigen Freunden der Betrachtung des Evangeliums gewidmeten Lebens nicht frönen. Bei seiner Rückkehr nach Afrika drängt man ihn, in der Gemeinde der Christen einen Dienst zu übernehmen, erst als Priester, dann als Bischof der Stadt Hippo, heute das algerische Annaba.
Durch sein Dienstamt begreift er immer tiefer, dass Christus nicht von seinem Leib, der die Kirche ist, getrennt werden kann. Er unternimmt alles Erdenkliche, um angesichts eines hundert Jahre alten Schismas die Einheit der Kirche in Afrika wieder herzustellen. Die Nächstenliebe erschien ihm immer deutlicher als Gipfel des christlichen Lebens.
Liebe, und Gott kommt dir nahe. Liebe, und er wohnt in dir. Macht euch keinerlei Sorgen. Warum lässt du die Trugbilder deiner Gedanken treiben und sagst: Wer ist Gott? Was immer du dir vorstellen kannst – es trifft nicht zu. Damit du aber ein wenig auf den Geschmack kommen kannst – Gott ist die Liebe.
Bis zuletzt bleibt Augustinus ein suchender Mensch. Am Ende seines Lebens zeichnen sich große Umwälzungen in der Gesellschaft ab: Rom, das ewig erschien, wird geplündert und gebrandschatzt. In seinem letzten Werk „Über den Gottesstaat“ versucht er, dies zu verarbeiten und angesichts dieses Unglücks Hoffnung zu geben. Wie er es in seinem Kommentar zu Psalm 66 gesagt hatte: Als Christen bleiben wir bis zum Ende Pilger auf dem Weg in die Heimat, in den Himmel.
Ihr seid auf dem Weg wie alle Völker, und ihr singt unterwegs. Singt die Libeslieder eurer Heimat, wie Reisende sie singen, in der Nacht.