Christus der Gemeinschaft
Dietrich Bonhoeffer erinnert uns daran, dass die Gemeinschaft aller, die Christus lieben, nur von Christus her wachsen und sich vertiefen kann: „Bruder ist einer dem anderen allein durch Jesus Christus. Ich bin dem anderen ein Bruder durch das, was Jesus Christus für mich und an mir getan hat; der Andere ist mir zum Bruder geworden durch das, was Jesus Christus für ihn und an ihm getan hat. Dass wir allein durch Jesus Christus Brüder sind, das ist eine Tatsache von unermesslicher Bedeutung … Wir haben einander nur durch Christus, aber durch Christus haben wir einander auch wirklich, haben wir uns ganz für alle Ewigkeit.“ [1]
Zu oft ist eine Analyse der Trennungen Ausgangspunkt für die Suche nach Einheit gewesen. Vielleicht war dies notwendig, um den Weg zu bereiten. Aber, wie Bonhoeffer es ausdrückte, der Ausgangspunkt müsste Christus sein, der selbst ungeteilt ist. Ja, der auferstandene Christus versammelt Frauen und Männer aller Hintergründe, Sprachen und Kulturen in eine einzige Gemeinschaft, selbst Menschen aus verfeindeten Nationen.
Frère Roger, der Gründer von Taizé, sprach gern vom „Christus, der Gemeinschaft ist“ und nahm diesen Ausdruck in vielen Gebeten auf. Dieser Begriff ist dem Denken des Berliner Theologen sehr nahe, der von „Christus als Gemeinde existierend“ sprach und der auch schrieb: „In Christus ist die Menschheit real in die Gottesgemeinschaft hineingezogen.“ [2] Für Bonhoeffer war das nicht nur eine Theorie, sondern ein Aufruf, den es im gemeinsamen Leben umzusetzen galt, wie er es mit den jungen Vikaren im Predigerseminar von Finkenwalde zwischen 1935 und 1937 tat.
Ein anderer wesentlicher Punkt, wo wir uns Bonhoeffer sehr nahe fühlen, ist die enge Verbindung zwischen Glauben und Einsatz für die anderen, zwischen der Liebe zu Gott und der Liebe zu den Mitmenschen. Ja, das Leben in Christus kann nur darin bestehen, solidarisch mit der Welt zu leben: „Die Kirche ist nur Kirche, wenn sie für andere da ist.“ [3]
Diese Solidarität führte Dietrich Bonhoeffer dazu, nach einigen Wochen des Exils in den Vereinigten Staaten nach Deutschland zurückzukehren. Er erklärt diesen Schritt in einem bewegenden Brief vom Juli 1939: „Ich werde kein Recht haben, an der Wiederherstellung des christlichen Lebens nach dem Kriege in Deutschland mitzuwirken, wenn ich nicht die Prüfungen dieser Zeit mit meinem Volke teile.“ [4]
An diesem 75. Todestag Dietrich Bonhoeffers bleibt das Zeugnis, das er durch sein Leben und Sterben abgelegt hat, von großer Aktualität. Er kannte Zweifel. Auf Jesu Schrei am Kreuz Bezug nehmend, schrieb er: „Der Gott, der mit uns ist, ist der Gott, der uns verlässt.“ [5]. In den dunkelsten Stunden des 20. Jahrhunderts hat er seinen Glauben durch Taten zum Ausdruck gebracht, bis hin zum Märtyrertod. Nur wenige Monate vor seinem Tod schrieb er im Gefängnis einen Text [6], von dem wir in Taizé im gemeinsamen Gebet mit tausenden jungen Gästen einige Zeilen singen:
Gott, lass meine Gedanken sich sammeln zu dir.
Bei dir ist das Licht. Du vergisst mich nicht.
Bei dir ist die Hilfe, bei dir ist die Geduld.
Ich verstehe deine Wege nicht, aber du weißt den Weg für mich.