TAIZÉ

Aktuelles

Bruderrat der Communauté: Gebet von Frère Alois

Wie jedes Jahr fand Ende Januar der Bruderrat der Communauté statt. Hier das abschließende Gebet von Frère Alois am Sonntagabend, 30. Januar 2022.


Jesus Christus, wir danken dir von ganzem Herzen. Du willst uns zu Zeugen der Liebe Gottes machen mitten in den großen Umbrüchen von Gesellschaft und Kirche heute. Wir danken dir für das Geschenk der Einheit, das du unserer kleinen Communauté machst. Sie ist ein unermesslicher Schatz, für den wir Sorge tragen wollen.

Dieser Schatz hat viele verschiedene Erscheinungsformen. Wir danken dir, dass du uns in diesen Tagen unseres Bruderrats geführt hast und unsere große Vielfalt zutage getreten ist. Du sendest uns den Heiligen Geist, der Leben schenkt, der die Kreativität jedes Einzelnen fördert und uns in der Liebe Gottes zusammenführt. Schenke uns den Glauben an seine Gegenwart.

Du, Christus, hauchst deinen Geist über uns, im Gebet genauso wie in unserem brüderlichen Leben; auch in diesem brüderlichen Leben finden wir eine Quelle deiner Gegenwart. Inmitten unseres Bemühens um ein geschwisterliches Zusammenleben, um uns immer wieder zu öffnen und auf andere zuzugehen, schenkst du uns eine Freude, deine Freude als Auferstandener.

Wir legen vor dich alles, was wir während dieses Bruderrats miteinander besprochen haben. Lass unseren Austausch Frucht bringen! Mach uns bereit, dass wir uns auch weiterhin besinnen und uns Gedanken machen über die Multikulturalität unter uns, über die persönliche Begleitung anderer, über die Verantwortung jedes Einzelnen für unser gesamtes Leben, die vielfältigen Aufgaben und Aktivitäten und über unsere Suche nach der Einheit der Christen. Erfülle uns mit Flexibilität und Mut, um auf deinen Heiligen Geist zu hören und in diesen und vielen anderen Bereichen voranzugehen.

Jesus Christus, du sendest uns in die Welt. Gelobt seist du für unsere Brüder, die in verschiedenen Ländern in kleinen Fraternitäten leben. Wir danken dir für die Schwestern, die in unserer Nähe leben und mit denen du uns auf einen gemeinsamen Weg schickst. Danke für all die Verbindungen mit so vielen Menschen in unserer Gegend. Danke für die Migranten, die bei uns aufgenommen wurden und sich immer mehr in diesem Land integrieren. Gelobt seist du für die jungen Menschen, die im Laufe dieses Jahres nach Taizé kommen. Gelobt seist du für unseren Pilgerweg des Vertrauens, der sich wie ein kleiner Bach seinen Weg auf der Welt bahnt - demnächst im Nahen Osten, im Heiligen Land.

Aber wir bekennen dir, Jesus Christus, dass wir auch manchmal versagt haben, deinen Willen der Liebe zu tun. Wir vertrauen dir insbesondere die Menschen an, die in Taizé Opfer von sexuellem oder psychischem Missbrauch oder von Übergriffen wurden. Sei in ihrer Einsamkeit bei ihnen und heile ihre Wunden. Aber gib uns auch den Mut, ihr Leid zu hören, auf ihre Bitten und ihren Rat einzugehen und ihnen, wo immer wir können, zu helfen.

Dir, Christus, wenden wir uns zu. Zu wem sollten wir sonst gehen? Du hast Worte des Lebens. Wir bitten dich: Begleite die Kirche und die gesamte Menschheit, die sich wie auf einem Exodus befinden, auf einem Übergang zu etwas Neuem, auf einem Weg durch die Wüste. Wie so viele Menschen wissen auch wir momentan nicht, was die Zukunft bringen wird. Aber du schenkst uns in dir neue Kraft und machst uns fähig, Einheit zu stiften. Voll Vertrauen sagen wir mit den Worten eines Psalms zu dir: „ Lass nicht ab vom Werk deiner Hände!“


Gebetswoche für die Einheit der Christen

Jedes Jahr findet vom 18. bis 25. Januar Christen auf der ganzen Welt eine Gebetswoche für die Einheit der Christen statt. Sie wurde dieses Jahr vom Rat der Kirchen im Nahen Osten vorbereitet. Hier einige Möglichkeiten, in Verbindung mit Taizé an dieser Woche teilzunehmen.

Gebet mit dem Rat der Kirchen des Mittleren Ostens

Das vom Rat der Kirchen im Nahen Osten ausgewählte Thema lautet in diesem Jahr: „Wir haben seinen Stern im Osten gesehen und sind gekommen, ihn anzubeten.“ Materialien für ein gemeinsames Gebet

Die „Vorschläge für das Jahr 2022“ lesen

Die „Vorschläge für das Jahr 2022“ aus Taizé haben den Titel: „Einheit stiften“. Der fünfte Vorschlag betrifft speziell die Einheit der Christen. Zum vollständigen Text

Das gemeinsame Gebet anlässlich der Gebetswoche in Taizé

Am Dienstag, den 18. Januar um 18 Uhr fand in Taizé ein Gebet mit Vertretern verschiedener Konfessionen statt, das als Video zur Verfügung steht:

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Taizé-Podcast

Als Podcast erschien diese Woche ein Interview (auf Französisch) mit Pfarrerin Anne-Laure Danet, die bei der Fédération protestante de France für die Beziehungen zwischen den christlichen Kirchen zuständig ist. Zum Nachhören auf den wichtigsten Podcast-Plattformen

Grußbotschaften anlässlich des Europäischen Treffens in Turin

Wie jedes Jahr richten katholische, evangelische und orthodoxe Kirchenverantwortliche Grußbotschaften an die Teilnehmer des Europäischen Treffens.

Vortrag von Frère Alois zum Thema Einheit anhören

Im vergangenen Jahr war Frère Alois zu einem längeren Vortrag über das Thema „Einheit“ im Angelicum in Rom eingeladen. Zum Nachhören auf Italienisch, mit französischen Untertiteln

Botschaft von Frère Alois

Im Andenken an Desmond Tutu

Liebe Angehörige,
liebe Freunde,

an diesem Tag, an dem Erzbischof Desmond Tutu in das Leben der Ewigkeit eingegangen ist, möchte ich Ihnen meine Zuneigung und die der gesamten Communauté von Taizé zum Ausdruck bringen. Fast fünfundsechzig Jahre lang haben Sie sein Leben und seinen kämpferischen Einsatz geteilt.

Der Geist des auferstandenen Christus hat ihn zu einer Quelle der Weisheit und des Mutes für Südafrika und die übrige Welt gemacht – in den dunkelsten Stunden der Apartheid und auf dem langen Weg hin zu Gerechtigkeit und Versöhnung in Ihrem Land.

Wir sind dankbar für die Freundschaft, die Erzbischof Tutu und unsere Communauté bereits über vierzig Jahre verbindet. Seit Frère Rogers Besuch in Johannesburg im Jahr 1978 und seinem eigenen Besuch in Taizé 1979 waren wir im Gebet verbunden und teilten die gleiche Leidenschaft, die junge Generation für den Glauben zu begeistern. Im Jahr 1980 organisierte er in einer Zeit großer Spannungen in Ihrem Land, zusammen mit 144 jungen Südafrikanern unterschiedlicher Herkunft, Konfessionen und sozialer Schichten, einen Pilgerweg der Versöhnung nach Taizé. Seit dieser Zeit hat er treu Hunderten von jungen Südafrikanern geholfen, die von ihren Kirchen entsandt wurden, um ihr Land bei den verschiedenen Etappen des von Taizé organisierten Pilgerwegs des Vertrauens zu vertreten. Vor zwei Jahren hatte er es sich nicht nehmen lassen, mit vielen anderen am internationalen Jugendtreffen teilzunehmen, das wir in Kapstadt vorbereitet hatten.

In seiner Grußbotschaft an die Teilnehmer des von Taizé vorbereiteten Pilgerwegs im Jahr 1995 in Johannesburg schrieb er: „Das Gebet schafft einen Raum, in dem wir uns begegnen und wachsen können, indem wir einander lieben.“

Gemeinsam mit Menschen guten Willens auf der ganzen Erde und ganz besonders mit den jungen Menschen auf dem afrikanischen Kontinent danken wir für sein Leben und seinen Dienst. Desmond Tutu wird auch nach seinem Tod all diejenigen inspirieren, die nach Gerechtigkeit und Frieden suchen.

Frère Alois, Prior der Communauté von Taizé

Beim Treffen in Kapstadt, 2019

Worte von Frère Alois zur Eröffnung des synodalen Prozesses

Frère Alois war eingeladen worden, am Samstag, den 9. Oktober 2021 in Rom zur Eröffnung des zweijährigen synodalen Prozesses der katholischen Kirche über das Thema Synodalität zu sprechen. Hier der Text seiner Ansprache.


Ich danke Ihnen, Heiliger Vater, für die Einberufung dieser Synode. Wir haben uns in Taizé über die Einladung zu seiner Eröffnung sehr gefreut und möchten Ihnen auch für die Tradition danken, Delegierte anderer Kirchen einzuladen. Es wird sehr hilfreich sein, von deren Erfahrung mit Synodalität zu hören, von ihrem Nutzen und ihren Grenzen.

Dieser synodale Prozess kommt in einem Moment der Geschichte, in dem wir zwei gegensätzliche Entwicklungen beobachten: Zum einen wird der Menschheit immer mehr bewusst, dass wir alle sowohl untereinander als auch mit der gesamten Schöpfung verbunden sind. Zum anderen kommt es auf sozialer, politischer und ethischer Ebene zu einer immer stärkeren Polarisierung, die zu neuen Spaltungen führt – in der Gesellschaft, zwischen Ländern und sogar in Familien.

Leider führen auch Unterschiede zwischen und innerhalb unserer Kirchen zu Trennungen, wo doch unser Zeugnis des Friedens so wichtig wäre.

Wie können wir die Einheit der Christen vorantreiben? Diese Frage habe ich vor Kurzem Pastor Larry Miller, dem früheren Generalsekretär des Global Christian Forum, gestellt. Er hat mir geantwortet: „Es ist nicht gut, dass wir immer sagen: ‚Wir sind diese oder jene und haben aus folgenden Gründen Recht.‘ Wir müssen vielmehr unsere Fehler erkennen und die anderen Kirchen um Hilfe bitten, um zu empfangen, was uns fehlt. Eine solche empfangende Ökumene hilft uns, vom anderen etwas anzunehmen.“ Ist es nicht richtig, was dieser Pfarrer sagt? Wir alle tragen den Schatz Christi in irdenen Gefäßen, und er strahlt vielleicht noch mehr, wenn wir in Demut bekennen, was uns fehlt.

Diese Synode wird innerhalb der katholischen Kirche eine große Vielfalt zum Vorschein bringen. Diese Vielfalt wird umso mehr Frucht bringen, je mehr sie mit einer intensiven Suche nach Gemeinschaft einhergeht. Dabei sollen bestehende Konflikten nicht übergangen, sondern ein versöhnender Dialog gefördert werden.

Deshalb wäre es schön, wenn im Laufe dieser Synode wie kleine Atempausen stattfänden, um innezuhalten, um die in Christus bereits bestehende Einheit zu feiern und sichtbar zum Ausdruck zu bringen.

Heiliger Vater, Sie laden uns zum Träumen ein. Deshalb möchte ich an dieser Stelle sagen, wovon ich träume: Könnten im Rahmen dieses synodalen Prozesses einmal nicht nur Delegierte, sondern das Volk Gottes, nicht nur Katholiken, sondern die Glaubenden der verschiedenen Kirchen zu einem großen ökumenischen Treffen eingeladen werden? Durch die Taufe und die heilige Schrift sind wir doch Schwestern und Brüder in Christus, und bilden eine zwar noch unvollkommene, aber reale Gemeinschaft, auch wenn es theologische Fragen gibt, die noch nicht geklärt sind.

Im Mittelpunkt einer solchen Versammlung stünde – hier in Rom und zur gleichen Zeit anderswo auf der Welt – eine schlichte Liturgie, bei der wir das Wort Gottes hören, mit einem langen Moment der Stille und einem Gebet für den Frieden. Könnten junge Menschen die Protagonisten eines solchen Gebets sein? Könnte diese Feier in ein Gespräch zwischen den Konfessionen übergehen? Wir würden dabei entdecken, dass wir dort, wo wir in Christus vereint sind, zu Friedensstiftern werden.

Die Erfahrung unseres Lebens in Taizé ermutigt mich, diesen Vorschlag zu machen. In unserer Communauté kommen wir aus verschiedenen Konfessionen und leben unter ein- und demselben Dach. Seit über sechzig Jahren nehmen wir junge Menschen auf, die einer der verschiedenen Kirchen angehören oder einfach auf der Suche nach dem Sinn ihres Lebens sind. Dabei suchen wir nicht nach dem uns allen gemeinsamen Minimum; die Quelle des Evangeliums zieht uns stets an, der auferstandene Christus, der uns gemeinsam, durch den Heiligen Geist, zum Vater ausnahmslos aller Menschen führt.

Foto: Tilen Čebulj

Karwoche und Ostern aus Taizé mitleben

Auf dieser Seite erscheinen die verschiedenen Veröffentlichungen, die von Taizé während der Karwoche und am Ostertag in den sozialen Netzwerken gemacht wurden.

Wie gewohnt ist die Kurzlesung des Tages auf dieser Seite verfügbar, genauso wie das kurze Gebet von Frère Alois im Mittagsgebet auf dieser Seite.

Palmsonntag

Fotos vom Gebet an der Quelle Saint-Etienne


Gedanken zum Tag von Frère Stephen


Montag

Gedanken zum Tag von Sœur Gabi


Übertragung des Mittagsgebets


Dienstag

Gedanken zum Tag von Frère Frank


Übertragung des Mittagsgebets


Mittwoch

Gedanken zum Tag von Frère Sebastian


Übertragung des Mittagsgebets


Gründonnerstag

Gedanken zum Tag von Frère Jean


Übertragung des Mittagsgebets mit der Fußwaschung


Sonderprogramm von jungen Freiwilligen


Karfreitag

Gedanken zum Tag von Sœur Clare


Übertragung des Mittagsgebets | Prozession mit dem Kreuz


Sonderprogramm von jungen Freiwilligen


Karsamstag

Gedanken zum Tag von Frère Andras


Übertragung des Mittagsgebets


Sonderprogramm von jungen Freiwilligen


Ostersonntag

Ostergottesdienst


Sonderprogramm von jungen Freiwilligen


Frère Sylvain (1933-2021)

Am Dienstag, den 2. Februar ist Frère Sylvain friedlich entschlafen. Beim Abendessen mit den Brüdern fühlte er sich plötzlich unwohl und starb von einem Moment auf den anderen. Er war 87 Jahre alt. Die Beerdigung fand am Freitag, den 5. Februar um 12 Uhr in Taizé statt.


Foto: Martine Magnon („Journal de Saône-et-Loire“; Rechte vorbehalten)

Gebet von Frère Alois

Gott aller Menschen, gelobt seist du für unseren Bruder Sylvain, für das lange Leben, das du ihm auf Erden geschenkt hast, und für seine bescheidene und diskrete Gegenwart unter uns.

Durch den Heiligen Geist hast du ihm sein Leben lang Kraft gegeben. Schon sehr früh hat er seine Mutter verloren und musste sich um seine Schwester und seinen Bruder kümmern. Dabei hat er gelernt, auch in schweren Zeiten fröhlich zu bleiben, und einen gesunden Humor bewahrt. Sein Vertrauen hat auf die Menschen ausgestrahlt, die du ihm anvertraut hast.

Wir danken dir, dass du besonders in den vierzig Jahren bei ihm warst, in denen er mit den Brüdern auf den Philippinen, in Japan und Korea gelebt hat. Mit ihnen zusammen ist er – um Christi und des Evangeliums willen – auf die schwächsten Menschen zugegangen und hat in großer Einfachheit versucht, Brücken zu bauen zwischen den Kulturen, den verschiedenen Gesichtern der Menschheit.

Du hast ihn in einer alten hugenottischen Familie im Bergland der Ardèche zur Welt kommen lassen. Aus diesen seinen Wurzeln hat er gelebt und eine tiefe Liebe zur Heiligen Schrift entwickelt. Die Berichte der Bibel haben ihn geprägt, und mit der ihm eigenen künstlerischen Begabung hat er sie in vielen Zeichnungen und unlängst bei der Ausgestaltung der Kathedrale von Oran ins Bild gesetzt.

Wir danken dir, lebendiger Gott, für seinen Tod in Frieden und dafür, dass du ihn jetzt bei dir aufnimmst.


Foto: Taizé

Bruderrat der Communauté: Gebet von Frère Alois

Vom 26. bis 31. Januar fand der jährliche Bruderrat der Communauté statt. Hier das abschließende Gebet von Frère Alois.


(Foto: Barnabás Cseh)

Gelobt seist du, Gott des Lebens. In einer schweren Zeit für die Menschheit wenden wir uns an dich. Gib uns die Kraft, diese Prüfungen mit Gelassenheit anzunehmen.

Unsere Fürbitte wird noch inniger: Zeige deine Gegenwart den Menschen, die am Coronavirus oder einer anderen Krankheit leiden, unter den Folgen von Umweltkatastrophen, Unrecht, Gewalt oder Vertreibung. Sei bei denen, die keine Kraft mehr haben.

Wir vertrauen dir auch heute die Opfer von Macht- und Vertrauensmissbrauch an, besonders diejenigen, die in der Vergangenheit von einem von uns sexuell missbraucht wurden. Steh denen bei, die mit dem erfahrenen Leid zu leben versuchen.

Wir loben dich für alle, die inmitten des Leids auf der Welt helfen, Wunden zu heilen und sich für andere einsetzen. Sie sind Zeichen der Hoffnung und bringen die Menschheit voran.

In dieser Zeit großer Veränderungen rufst du uns auf umzukehren. Wir möchten uns immer wieder von deiner Gegenwart ergreifen lassen, wie Mose am brennenden Dornbusch, wie die Jünger von Emmaus und so viele andere – du meinst es gut mit uns. Wir möchten alles daransetzen, damit unser Leben zu einem Zeichen für deine Zukunft und deine Treue wird.

Du hilfst uns, unser persönliches und unser gemeinsames Gebet zu erneuern. Mögen nicht unsere Sorgen, so ernst sie auch sein mögen, im Mittelpunkt unseres Lebens stehen, sondern das Feuer der Liebe Christi.

Gelobt seist du für die vielen Gesten der Hilfe, die wir erhalten. Sie sind ein schöner Ausdruck der Gemeinschaft der Kirche. Führe uns zu einer sichtbaren Einheit all derer, die Christus lieben.

Danke, lebendiger Gott, für unser gemeinsames Leben. Es ist im Lauf des letzten Jahres tiefer geworden und noch einfacher. Und in diesen Tagen hast du uns wieder die Augen geöffnet für die Schönheit dessen, was du uns schenkst. Christus nennt uns seine Brüder, und er vertraut uns einander als Brüder an. Wir danken dem Heiligen Geist, dass er uns Tag für Tag die Vielfalt unter uns als Reichtum sehen und auch weiterhin in gütiger Brüderlichkeit leben lässt. Auf diese Weise können wir zu einer immer größeren universellen Brüderlichkeit beitragen.

Gelobt seist du, dass du uns ein noch größeres Bewusstsein für unsere Verantwortung für die Schöpfung schenkst. Gelobt seist du für die jungen Menschen, die uns darauf aufmerksam machen, und für die Wissenschaftler und Politiker, die versuchen, die richtigen Entscheidungen zu treffen.

Gott des Friedens, wir wissen noch nicht, was in den gegenwärtigen Geburtswehen der Menschheit entsteht. Möge dein Heiliger Geist unseren Blick verändern, um einen neuen Horizont zu erkennen und in Zukunft zu verstehen, was du von uns erwartest.

So machen wir uns als einfache Pilger des Vertrauens wieder auf den Weg. Möge der Geist des Festes uns auch bei geringen Mitteln beflügeln.

Wir loben und preisen dich, ewiger Gott. Wir danken dir für das Leben und glauben, dass du in jedem von uns, in unserer Gemeinschaft und in der Welt von heute am Werk bist – durch Christus, der bei uns ist, und durch deinen Heiligen Geist, der uns führt.

Nun strecken sich diejenigen Brüder, die sich für immer engagiert haben, auf dem Boden aus, um auf diese Weise an ihre Lebenshingabe zu erinnern.


Im Advent

  • Vor der Versöhnungskirche wurde wie jedes Jahr entlang der Straße eine Weihnachtskrippe aufgebaut, die jede Woche erweitert wird.



  • Das von Frère Alois jeden Tag im Mittagsgebet gesprochene Gebet erscheint weiterhin hier auch auf Deutsch.

Brief von Frère Alois an die Jugendlichen in Belarus

Liebe Freunde,

wir verfolgen in Taizé sehr aufmerksam die Ereignisse in Eurem geliebten Land, und ich möchte Euch sagen, dass wir Euch sehr nahe sind. Wir haben in den Fürbitten für Euer Land gebetet, und mit meinen Brüdern denke ich mit diesen Worten im Gebet an Euch:

Auferstandener Christus, du kennst unsere Ängste und unsere Not. Unermüdlich sprichst du zu uns: „Fürchte dich nicht, ich bin da.“ Wir vertrauen dir das Volk von Belarus an, insbesondere diejenigen, die für Gerechtigkeit und Freiheit kämpfen. Zeige deine Gegenwart all denen, die Gewalt erleiden. Du bist unser Frieden.

In tiefer Gemeinschaft mit Euch allen

Fr. Alois



Brief als PDF

Februar 2018

Neues von den in Taizé aufgenommenen Flüchtlingen

Angesichts der Flüchtlingswelle der letzten Jahre in Europa nimmt die Communauté auch weiterhin Flüchtlinge aus verschiedenen Ländern auf. Zahlreiche Menschen aus der Umgebung von Taizé helfen dabei tatkräftig mit.

Erstaufnahmestellen

Um Flüchtlinge aus Calais aufzunehmen, wurde im November 2015 in Taizé ein sogenanntes CAO (Aufnahme- und Beratungszentrum) eingerichtet. Dort konnten dreizehn junge Männer zwischen 19 und 40 Jahren, alle Muslime aus dem Sudan und Afghanistan, untergebracht werden. Neun von ihnen, denen der Flüchtlingsstatus zuerkannt wurde, arbeiten oder machen derzeit in der Umgebung von Taizé eine Ausbildung. Einer von ihnen ist verwitwet und hatte im Sudan einen 13-jährigen Sohn. Frère Alois konnte diesen im vergangenen Jahr nach einem Besuch im Land zu seinem Vater bringen; das Kind geht zur Schule und der Vater arbeitet in einer Gießerei in der Region.

Im November 2016 richtete die Communauté ein CAOMI (Aufnahme- und Beratungszentrum für Minderjährige) ein, um vorübergehend 18 Minderjährige aus Calais aufzunehmen, die auf dem Weg nach England waren. Sieben von ihnen beschlossen, in Taizé zu bleiben und Asyl zu beantragen. Einer von ihnen ist zur Zeit in einem Ausbildungsheim in der Nähe von Taizé und vier Flüchtlinge leben noch im Dorf und wollen sich in der Gegend niederlassen.

Familien

In den letzten Jahren hat die Communauté auch vier Flüchtlingsfamilien aus dem Irak und aus Syrien aufgenommen. Nach mehreren Monaten in Taizé konnten sie im Land Fuß fassen; zwei dieser Familien sind mittlerweile umgezogen und stehen mit der Communauté nach wie vor in enger Verbindung.

Warten auf Schutz

Im vergangenen September nahm die Communauté drei junge Flüchtlinge aus dem Südsudan und dem Sudan im Alter von 20 bis 28 Jahren auf. Diese Jugendlichen wissen noch nicht, ob sie aufgrund des Dublin-Abkommens in Frankreich einen Asylantrag stellen können. Da sie keine Arbeitserlaubnis haben, lernen sie momentan Französisch, engagieren sich ehrenamtlich und erzählen bei verschiedenen Gelegenheiten über die Gründe und die Umstände ihrer Flucht.

Patenfamilien

Jeder junge Migrant, der in Taizé aufgenommen wird, bekommt eine Patenfamilie in der Umgebung. Durch regelmäßige gegenseitige Besuche ist es leichter, sich in der neuen Umgebung zurechtzufinden. Einer der jungen Flüchtlinge sagte kürzlich: „Francoise kümmert sich um mich wie eine Mutter um ihren eigenen Sohn!“

Sprachkurse

Als die Communauté ihre Türen für junge Leute aus Calais öffnete, reagierte die umliegende Bevölkerung mit einer Welle der Großzügigkeit. Heute finden an vier Tagen der Woche Französischkurse im Rathaus von Taizé statt, ein Dutzend Freiwilliger gibt abwechselnd Unterricht. Christine, eine ausgebildete Fremdsprachenlehrerin, schreibt: „Mit Erstaunen und großer Freude sehe ich die Motivation der Asylbewerber und ihren Fleiß, Französisch zu lernen – trotz all der anderen Sorgen, die sie haben.“ Den drei Flüchtlingen, die zur Zeit an den Kursen teilnehmen, hat sich ein Dutzend Ausländer aus verschiedenen Ländern angeschlossen, die in der Region leben.

Erfahrungsaustausch

Drei der in Taizé aufgenommenen Flüchtlinge wurden im November 2017 an eine Oberschule in Châteaubriant in der Bretagne eingeladen, wo sie an einem Aktionstag zum Thema Migration teilnahmen. Die dortigen Schüler waren beeindruckt davon, was diese jungen Menschen über die Fahrt durch die Sahara, die schrecklichen Lebensbedingungen in Libyen und die Überquerung des Mittelmeers berichteten. Aber auch die Flüchtlinge waren beeindruckt, wie ernsthaft ihnen die Schüler zuhörten.

In Taizé nehmen Flüchtlinge hin und wieder an thematischen Workshops teil, die im Rahmen der Jugendtreffen angeboten werden.

Im Europäischen Parlament

Im Januar 2018 besuchte eine Gruppe junger Migranten das Europaparlament in Straßburg. Bei einem Treffen mit dem EU-Kommissar für Migration, Abgeordneten von verschiedenen Parteien und aus verschiedenen Ländern sowie dem Generaldirektor des Französisches Amtes für den Schutz von Flüchtlingen und Staatenlosen, konnten Migranten von ihre Erfahrungen in Europa und ihrer jeweiligen Situation erzählen: anerkannte Flüchtlinge, Asylsuchende, Migranten „nach dem Dublin-Abkommen“, unbegleitete Minderjährige, deren Alter nicht anerkannt wurde ...

Ein Europaabgeordneter schickte uns Bilder von diesem Besuch, die Claudio Cutarelli gemacht hat und die auf die Problematik des Dublin-Abkommens eingehen:

Eine längere Version hier.

Freiwilligenarbeit

Die in Taizé aufgenommenen Flüchtlinge halfen immer gerne mit, und sich machten sich gerne nützlich, um anderen zu helfen. Etwas geben zu können, gibt einem Menschen seine Würde zurück.

Edith, örtliche Schatzmeisterin der Caritas von Cluny, schreibt: „Drei junge Flüchtlinge unterstützen unsere Arbeit als Freiwillige. Sie nahmen an verschiedenen Aktivitäten teil, z. B. anlässlich des großen jährlichen Essens, bei dessen Vorbereitung sie sehr tatkräftig mithalfen.“

Flüchtlinge helfen als Freiwillige auch bei den Jugendtreffen der Communauté mit. Gonçalo, ein junger Portugiese, schrieb kürzlich: „Die Arbeit mit drei jungen Flüchtlingen war für mich eine ganz besondere Erfahrung; sie haben in unserem Team sehr engagiert mitgearbeitet und wir konnten gleichzeitig über unsere unterschiedlichen Kulturen sprechen. Sie haben uns von ihren Erfahrungen erzählt und davon, dass sie den Frieden suchen.“

Im vergangenen Sommer haben viele junge Menschen auf den Solidaritätsaufruf für Flüchtlinge reagiert. Mit Orsi, einer Freiwilligen, fuhren im November drei junge Flüchtlinge nach Calais, um der dortigen Caritas Dinge des täglichen Bedarfs, wie Duschgel, Shampoo, Zahnpasta und Zahnbürsten zu bringen. Sie waren zwei Nächte im Maria-Skobtsova-Haus zu Gast, wo Menschen aufgenommen werden, die unmittelbare Hilfe benötigen. Orsi schreibt: „Unsere drei Freunde hatten auf ihrer Fahrt durch viele Länder, die Wüste und das Mittelmeer das gleiche Elend erlebt. Sie wussten, was die jungen Leute in Calais durchgemacht haben.“

„Coexister“ – Freundschaft, die tiefer wird

In den letzten Jahren kamen unter der Leitung ihres Gründers, Samuel Grzybowski, mehrmals Jugendliche des Vereins „Coexister“ nach Taizé. Das Besondere an diesem Verein ist, dass Jugendliche aus verschiedenen Religionen zusammenarbeiten.

Radia Bakkouch, zurzeit Landesvorsitzende des Vereins, hat im September 2016 an der besonderen Woche für 18-35-Jährige in Taizé teilgenommen.

Maud, eine junge Französin, war 2016 mit „Coexister“ in Taizé und erzählt von ihrem Aufenthalt:


Wir waren zehn Jugendliche, die verschiedenen Religionsgemeinschaften angehören: Christen, Juden und Muslime. Ich selbst bin Jüdin und war vorher noch nie in Taizé. Ich fand es sehr interessant, den christlichen Glauben näher kennenzulernen und mit meinen Freunden ein Wochenende gemeinsam zu verbringen. Ich bin mir sicher, dass ich in Taizé den Frieden gefunden habe. Nie zuvor hatte ich z.B. eine solche Freude daran, einfach in die Landschaft zu schauen. Wir sind mit vielen Jugendlichen in ein sehr persönliches Gespräch gekommen und möchte nächstes Jahr wieder nach Taizé kommen.

Gebetswoche für die Einheit der Christen

Aus Anlass der Weltgebetswoche für die Einheit der Christen fand am 18. Januar zusammen mit den in dieser Woche in Taizé anwesenden Jugendlichen und mit Kirchenverantwortlichen der näheren Umgebung ein besonderes Gebet statt.

Direktübertragung des gemeinsamen Gebets über „Facebook Live

Begrüßung durch Frère Alois

Zu Beginn der Gebetswoche für die Einheit der Christen heiße ich Sie in unserer Versöhnungskirche herzlich willkommen. Wir Brüder freuen uns, dass Sie zu diesem Gebet gekommen sind. Ich danke für ihre Anwesenheit den Vertretern der Katholischen, Orthodoxen, Vereinigten Protestantischen, der Anglikanischen, Evangelikalen und Mennonitischen Kirche. Möge unsere Einheit in Jesus Christus wachsen, damit die Kraft und Wahrheit des Evangeliums auf der Welt erstrahlen kann.

Fürbitten der verschiedenen Kirchenverantwortlichen

  • Jesus Christus, du sendest deine Kirche, dass sie deinen Weg in der Welt bereite. Gib uns die rechten Worte und Taten, um den Menschen um uns herum Tag für Tag dein Evangelium zu verkünden.
  • Jesus Christus, Licht der Welt, du erleuchtest jeden Menschen: Mach uns fähig, deine Gegenwart in jeden Menschen zu erkennen und dich in unserem Nächsten aufzunehmen.
  • Jesus Christus, öffne unsere Augen für das Leiden derer, die heute am meisten leiden, und für die Einsamkeit der Menschen in unserer Nähe. Mach uns bereit, in Solidarität zu leben mit denen, die uns anvertraut sind.
  • Jesus Christus, Bruder aller Menschen, du stehst auf der Seite der Flüchtlinge, Migranten und Menschen im Exil. Wir vertrauen dir alle an, die in unserer Umgebung Aufnahme gefunden haben, und beten besonders für Samir aus dem Sudan.
  • Jesus Christus, mach uns fähig, auf dich zu hören. Dann können wir gemeinsam und für alle sichtbar deine eine Kirche sein – damit die Welt glaubt.
  • Jesus Christus, sei gelobt für die Gemeinschaften von Christen in unserer Region, für die Synode der Diözese von Autun, für die orthodoxe Gemeinde in Chalon, für die verschiedenen evangelischen Kirchen im Jahr des Reformationsgedenkens.
  • Jesus Christus, wie deine Jünger nach der Auferstehung machst du auch uns zu Brüdern und Schwestern. Wir möchten dir nachfolgen, führe uns auf den Weg des Lebens.
  • Jesus Christus, wir vertrauen dir die Völker im Nahen Osten an, die Opfer von Gewalt und all die, die keine Hoffnung mehr sehen für ihr Land. Steh denen bei, die nach Gerechtigkeit und Frieden suchen.

Gebet von Frère Alois

Jesus Christus, in deinem Namen sind wir zusammengekommen. Öffne uns für den Heiligen Geist, den Geist der Vergebung und Versöhnung. Er vereint unsere Stimmen in deiner Gegenwart. Am Ende deines Lebens hast du gebetet: „Vater, sie sollen eins sein.“ Mach uns zu Zeugen der Einheit und zu Trägern der Versöhnung.

März 2016

Artikel von Frère Alois

In einer Reihe europäischer Zeitungen wurde in den letzten Wochen ein Text von Frère Alois zur Flüchtlingsfrage veröffentlicht:
  • La Croix (Frankreich)
  • La Libre Belgique (Belgien)
  • Nederlands Dagblad (Niederlande)
  • Church Times (England)
  • Magyar Nemzet Magazin (Ungarn)
  • Dennik N (Slowakei)
  • Lidove noviny (Tschechien)
  • Irish Times (Irland)
  • Przewodnik Katolicki (Polen)
  • Bernardinai (Litauen)
  • Православље (Serbien)
  • El Pais (Spanien)
  • Avvenire (Italien)
  • Publico (Portugal)

Lassen wir uns von der Angst nicht lähmen!

Auf der ganzen Welt sind Menschen gezwungen, ihre Heimat zu verlassen. Die Not in ihren Ländern ist zu groß, als dass Grenzanlagen sie aufhalten könnten. Ich habe die Situation in Syrien vor wenigen Wochen mit eigenen Augen gesehen. Das Ausmaß der Zerstörung von Homs ist unvorstellbar, ein Großteil der Stadt liegt in Ruinen. Man geht durch eine Geisterstadt, deren Menschen jede Hoffnung verloren haben.

Heute sind es die politischen Verhältnisse, morgen wird es die Klimaveränderung sein, die den Menschen das Leben in ihren Ländern unmöglich macht. Diese Entwicklung ist nicht ohne Weiteres umkehrbar. Sich dies nicht einzugestehen, wäre äußerst kurzsichtig. Die Flüchtlingsströme müssen gesteuert werden, aber sie aufhalten zu wollen – auch mit Stacheldraht und immer höheren Mauern – wäre von vorneherein zum Scheitern verurteilt. Eine europäische Zusammenarbeit ist dafür unerlässlich. Andernfalls würden wir aufgeben, was ein zusammenwachsendes Europa in siebzig Jahren erreicht hat.

Die gegenwärtige Situation macht Angst. Und diese Angst wird nicht verschwinden, indem wir sie verharmlosen oder leugnen. Nein, aber wir dürfen uns von ihr auch nicht lähmen lassen! Wenn wir der Fremdenfeindlichkeit nicht entschieden entgegentreten, kann die Menschenverachtung in unseren Gesellschaften Wurzeln schlagen.

Der erste Schritt muss für die reichen Länder der nördlichen Hemisphäre sein, sich ihre Mitverantwortung vor Augen zu führen, die sie am Entstehen der ungeheuren Wanderungsbewegungen tragen, vor allem in Afrika und dem Nahen Osten. Aber nicht nur in der Vergangenheit wurden Fehler gemacht; auch heute noch werden Entscheidungen getroffen, die die Stabilität dieser Regionen untergraben. In einem zweiten Schritt müssen dann Wege gesucht werden, wie wir mit unserer Angst vor dem Unbekannten, vor Fremden und ihren Kulturen, umgehen können. Zuwanderung hat unsere westlichen Gesellschaften im Laufe der Geschichte immer wieder verändert, und vieles, was unser Leben heute bunter macht, möchten wir alle nicht mehr missen. Aber diese Veränderungen werden noch zunehmen und wir müssen mit Mut das Neue, das auf uns zukommt, integrieren.

Die unzähligen Helfer, die beruflich oder ehrenamtlich bei der Aufnahme und der Integration arbeiten, gehen oft bis an die Grenzen ihrer Kräfte. Durch ihren Einsatz zeigen sie, wie ein konkreter Weg aussehen kann. Anstatt in den Fremden eine Bedrohung unseres Lebensstandards oder unserer Kultur zu sehen, können wir in ihnen Angehörige ein und derselben Menschheitsfamilie sehen. Dann kann sich zeigen, dass der Zustrom von Flüchtlingen und Einwanderern – trotz der manchmal unüberwindbar scheinenden Schwierigkeiten und Probleme – eine Chance darstellt. Auch wenn auf diesem Gebiet Prognosen nur schwer möglich sind, deuten selbst wissenschaftliche Untersuchungen auf die positiven Auswirkungen der Zuwanderung hin, vor allem in demographischer und wirtschaftlicher Hinsicht. Werden diese positiven Seiten genügend beachtet? Die Menschen, die an die Türen der reicheren Länder klopfen, verlangen nach Solidarität. Verhelfen sie unseren Ländern nicht auch zu einem neuen Elan!

Wir haben in den letzten Monaten in Taizé Erfahrungen in dieser Richtung gemacht. Unser Beitrag ist zwar bescheiden und findet in einem überschaubaren Rahmen statt, aber er ist konkret: Im November des vergangenen Jahres haben wir in Zusammenarbeit mit den staatlichen Stellen eine Gruppe von elf jungen Flüchtlingen bei uns aufgenommen. Sie stammen aus dem Sudan – vor allem aus Darfur – sowie aus Afghanistan und waren zunächst einige Zeit im „Dschungel von Calais“. Ihre Ankunft in unserem kleinen Dorf hat in der Umgebung eine beeindruckende Welle der Solidarität ausgelöst: Menschen sind bereit, ihnen unentgeltlich Französischunterricht zu geben, Ärzte behandeln sie kostenlos, Nachbarn zeigen ihnen die Umgebung … Solche Gesten der Freundschaft helfen, das Dramatische, das diese jungen Menschen hinter sich haben, zu verarbeiten, zur Ruhe zu kommen und neuen Mut zu fassen. Aber es sind auch diejenigen bereichert, die sich um sie kümmern: Für viele ist es der erste persönliche Kontakt mit Muslimen, und das verändert den Blick.

Eine Erleichterung ist dabei die Tatsache, dass in Taizé bereits eine Reihe von Familien aus verschiedenen Ländern leben – aus Vietnam, Laos, Bosnien, Ruanda, Ägypten, dem Irak – einige schon seit Jahrzehnten. Demnächst kommt eine Familie aus Syrien dazu. Sie alle wissen, was es bedeutet, alles zurücklassen und in einer völlig anderen Umgebung von vorne anfangen zu müssen. Aber durch ihre kulturelle Verschiedenheit bringen sie Leben in unser Dorf.

Eine solche Erfahrung ist nicht nur uns vorbehalten. Gibt es nicht überall viel mehr Hilfsbereitschaft als man gemeinhin annimmt? Fremdenfeindlichkeit ist nicht so weit verbreitet wie es manchmal den Anschein hat. Meist sind es Unkenntnis und Hilflosigkeit, mit der wir vor dem uns Unbekannten stehen, was Ablehnung und Gewalt auslöst. Wo man sich persönlich begegnet, kommt ein Gefühl der Zusammengehörigkeit auf; man wird fähig, sich in den anderen hineinzuversetzen und es entsteht Empathie. Dieser Weg ist nicht leicht. Man muss lernen, miteinander umzugehen, die Erwartungen des Einen mit der des Anderen in Einklang zu bringen und auch mit Enttäuschungen zu leben – aber es ist der einzig mögliche Weg in eine Zukunft in Frieden.

Wenn man sich den Herausforderungen der Ankunft von so vielen Flüchtlingen gemeinsam stellt und Ängste nicht noch schürt, könnten die Länder Europas und die Europäische Union als Ganze eine Dynamik wiederfinden, die im Laufe der Jahre verlorengegangen ist. Bietet sich hier nicht eine Chance, den Bürgern eine konkrete Verantwortung zu übertragen und sie noch direkter an der Gestaltung unserer Gesellschaft zu beteiligen!

Viele junge Europäer suchen diese Offenheit. Dies stellen wir tagtäglich in Gesprächen mit den Jugendlichen fest, die von allen Kontinenten zu den internationalen Jugendtreffen nach Taizé kommen. In ihren Augen hat ein vereintes Europa nur dann Sinn, wenn es auch Solidarität mit den anderen Kontinenten und mit den ärmeren Ländern der Erde zeigt.

All diese jungen Menschen haben keinerlei Verständnis dafür, dass Grenzen geschlossen werden. Sie verlangen, dass die wirtschaftliche Globalisierung mit einer weltweiten Solidarität einhergeht. Vor allem muss dies darin zum Ausdruck kommen, dass verantwortlich gehandelt und den Menschen, die vor Krieg, Verfolgung und Not fliehen, ihre Würde wiedergegeben wird. Dies kann nur durch ein persönliches Engagement gelingen, und dazu sind auch viele bereit!

Frère Alois auf der Ökumenischen Tagung: „2017 - gemeinsam unterwegs“

Die Frage, wie wir mit konkreten Schritten „gemeinsam weitergehen“ können, liegt uns in Taizé sehr am Herzen und wird uns auch von den Jugendlichen, die Woche für Woche auf unseren Hügel kommen, immer wieder gestellt. So möchte ich – im Hinblick auf das Jahr 2017 – versuchen, anhand unserer Erfahrungen in Taizé einige Antworten zu geben.

Einheit und Pluralismus

Die ökumenische Bewegung entstand im letzten Jahrhundert vor allem aus dem Anliegen heraus, eine konfessionelle Rivalität in den Missionsländern zu vermeiden. Heute stellt sich die Frage etwas anders, und dies klingt im Thema bereits an: Sind wir Christen in der Lage, die Unterschiede, die zwischen uns bestehen, anzunehmen und mit ihnen gemeinsam weiterzugehen, um auf diese Weise Sauerteig des Friedens unter den Menschen zu sein?

Die Kirche ist der Leib Christi mit einer klaren und sichtbaren Gestalt. Das Evangelium stiftet jedoch eine noch weiterreichende Gemeinschaft: Für Gott bilden alle Menschen eine einzige Familie. Daher stellt sich die Frage: „Wie können wir Christen zeigen, dass Einheit möglich ist, ohne die zwischen uns bestehenden Unterschiede zu leugnen?“ Wenn es uns gelingt, in wahrer Einheit zusammenzuleben und gleichzeitig unseren Pluralismus anzunehmen, werden wir zu einem Zeichen für die Menschheit, die ja ebenfalls nach Einheit strebt.

Die Globalisierung wird heute allerdings von vielen Menschen als Bedrohung empfunden. Die Schaffung größerer Wirtschaftsräume, der Abbau politischer Grenzen, aber auch die Unüberschaubarkeit der weltweiten Migration, machen es vielen Menschen schwer, die Globalisierung positiv zu sehen. Manche haben den Eindruck, ihre Wurzeln zu verlieren oder sehen ihre eigene Identität bedroht. So entstehen Ängste und man beginnt von neuem, sich von anderen abzugrenzen. Dies führt zu Spannungen und kann sogar gewaltsame Konflikte auslösen.

Dies trifft auch für die Christen zu: Obwohl zwischen den Kirchen noch nie so viele Beziehungen vorhanden waren wie heute, gab es auch noch nie so viele unterschiedliche Kirchen und christliche Gemeinschaften. Manchmal wird so getan, als ob man mit verschiedenen Kirchen mehr Menschen erreichen würde. Zweifelsohne entsprechen die vielen neu entstehenden Gemeinschaften einem Bedürfnis von Menschen, die Christus aufrichtig lieben. Aber wir dürfen nicht vergessen, dass Christus uns durch sein Kreuz und seine Auferstehung in einen einzigen Leib, in einen neuen Bund mit Gott zusammengeführt hat. Christus ist so weit gegangen, sogar sein Leben hinzugegeben, um „die verstreuten Kinder Gottes zusammenzubringen“. [1] Er hat Mauern eingerissen und am Kreuz seine Arme über die getrennte Menschheit ausgebreitet. Seitdem gibt es nichts mehr, was unsere innere Distanz zu anderen rechtfertigen würde.

Alle, die Christus lieben, sind in seiner Nachfolge in eine große Gemeinschaft eingeladen. Durch diese Gemeinschaft, die Freundschaft ist, können die Christen dabei helfen, die Wunden der Menschheit zu heilen. Sie können, ohne sich aufzudrängen, eine weltweite Solidarität vorantreiben, die niemanden mehr ausschließt: kein Volk, keinen einzigen Menschen.

Im Gegensatz dazu hat man sich heute an einen höflichen Umgangston zwischen den Konfessionen gewöhnt. Dieser überdeckt allerdings oft nur unzureichend, dass man sich im Grunde genommen nach wie vor voneinander abgrenzt und nicht ernsthaft nach konkreten Schritten der Versöhnung sucht. In offiziellen Gesprächen werden zwar Fortschritte gemacht, aber die Trennungen werden weiterhin mit theologischen Spitzfindigkeiten gerechtfertigt. Wir Christen müssten uns eigentlich schämen, nicht mehr für die von Christus gewollte Einheit zu tun. Viele junge Menschen suchen einen Sinn und einen festen Halt im Leben; sie erwarten unsere Hilfe und wir dürfen ihnen nicht mehr länger die verwirrende Tatsache unserer Trennungen anbieten.

Suchen wir einen neuen Ausgangspunkt!

Wie bereits angedeutet, stehen wir heute vor einer doppelten Herausforderung: Eine Gemeinschaft all derer, die Christus lieben, kann nur entstehen, wenn wir die zwischen uns bestehende Vielfalt respektieren. Gleichzeitig muss diese Gemeinschaft sichtbar sein, um Orientierung bieten zu können. Die sichtbare Einheit muss also einen großen Pluralismus anerkennen. Papst Franziskus spricht in diesem Zusammenhang nicht mehr von einer Kugel, deren Punkte alle gleich weit vom Zentrum entfernt sind, sondern er gebraucht das Bild eines Polyeders, eines Gebildes mit vielen Flächen. Für ihn ist die Kirche „Verschiedenheit, die in Gemeinschaft vereint ist, nicht in Gleichheit, sondern in Harmonie“. So möchte ich heute Abend einen ersten Vorschlag machen, wie wir „gemeinsam weitergehen“ können und behaupten, dass wir einen neuen Ausgangspunkt finden müssen, um zu dieser „versöhnten Verschiedenheit“ zu gelangen.

Von „Einheit“ und „Verschiedenheit“ zu sprechen, ist zunächst mit zwei Gefahren verbunden: Die erste besteht darin, mit unserer Verschiedenheit die bestehenden Trennungen zu rechtfertigen. Die zweite Gefahr dagegen wäre, Einheit als Einförmigkeit misszuverstehen. Es bedeutet eine Gratwanderung, diese beiden Gefahren zu umgehen. Wie können Einheit und Verschiedenheit also miteinander in Einklang gebracht werden?

Zu lange bestand der Ausgangspunkt darin, das uns Trennende aufzulisten und zu analysieren. Vielleicht war dies ein notwendiger erster Schritt, aber letztlich müssen wir von Christus ausgehen, von ihm, der nicht geteilt ist!

Dietrich Bonhoeffer beschreibt diesen Ausgangspunkt besonders treffend: „Bruder ist einer dem anderen allein durch Jesus Christus. Ich bin dem anderen ein Bruder durch das, was Jesus Christus für mich und an mir getan hat; der Andere ist mir zum Bruder geworden durch das, was Jesus Christus für ihn und an ihm getan hat. Dass wir allein durch Jesus Christus Brüder sind, das ist eine Tatsache von unermesslicher Bedeutung… Wir haben einander nur durch Christus, aber durch Christus haben wir einander auch wirklich, haben wir uns ganz für alle Ewigkeit.“ [2]
Nehmen wir also als Ausgangspunkt den auferstandenen Christus, der Menschen aller Stände und Schichten, aller Sprachen und Kulturen, und selbst verfeindeter Völker in eine einzige Gemeinschaft zusammenführt. Daraus ergibt sich für uns Christen die Pflicht, mit all unserer Verschiedenheit nach sichtbarer Gemeinschaft zu suchen.

Ziehen wir unter ein gemeinsames Dach!

Dieser neue Ausgangspunkt führt mich zu einem zweiten Vorschlag, den ich schon einmal vorgebracht habe und den ich heute wiederholen möchte: Müssten die christlichen Kirchen nicht den Mut haben, „unter ein Dach“ zu ziehen, obwohl noch nicht alle theologischen Fragen geklärt sind! Dieser Schritt verlangt viel Fantasie. Aber der Heilige Geist kann sie uns schenken.

Es wird immer Unterschiede geben. Sie werden stets eine Aufforderung zum offenen Dialog sein, um uns gegenseitig bereichern zu lassen. Ist es nicht an der Zeit, das, was uns gemeinsam ist, an die erste Stelle zu setzen: unsere christliche Identität, die wir als Getaufte haben? In allen Kirchen wird bis heute die konfessionelle Identität betont: Man ist in erster Linie katholisch, evangelisch oder orthodox. In Wirklichkeit müsste die Tatsache an erster Stelle stehen, dass wir Getaufte sind! [3]

An dieser Stelle möchte ich etwas zu unserem Leben in Taizé sagen. In unserer Communauté leben evangelische und katholische Brüder zusammen, die auf diese Weise die zukünftige Einheit vorwegnehmen möchten. Wir tun dies, indem wir einen konkreten „Austausch der Gaben“ leben: mit den anderen das teilen, was wir als eine Gabe Gottes betrachten, und gleichzeitig anerkennen, dass Gott auch den anderen Schätze anvertraut hat. Papst Franziskus beschreibt diesen Weg sehr gut: „Es handelt sich nicht nur darum, Informationen über die anderen zu erhalten, um sie besser kennenzulernen, sondern darum, das, was der Geist bei ihnen gesät hat, als ein Geschenk anzunehmen, das auch für uns bestimmt ist.“ [4]

So empfangen wir Brüder seit Anfang der 1970er-Jahre, mit Einverständnis des damaligen Ortsbischofs, alle die Kommunion der katholischen Kirche. Dies war für uns die einzige Möglichkeit, gemeinsam die Kommunion zu empfangen. Jahre zuvor hatten die Brüder bereits festgestellt, dass die Gegenwart katholischer Brüder in der Communauté ein Ansporn war, stets in einer noch tieferen Gemeinschaft mit dem Bischof von Rom zu leben. Sie waren sich bewusst, wie wichtig der katholischen Kirche die sichtbare universale Gemeinschaft in Christus schon immer war. Die Brüder der Communauté, die aus evangelischen Familien stammen, gehen diesen Weg, ohne in irgendeiner Weise ihre Herkunft zu verleugnen; der Glaube gewinnt für sie dadurch vielmehr an Weite.

Die Brüder aus katholischen Familien sehen eine Bereicherung darin, sich im Sinne des Zweiten Vatikanischen Konzils den Gaben der Kirchen der Reformation zu öffnen. Diese betonen in besonderer Weise bestimmte Wirklichkeiten des Evangeliums: Gottes Handeln ist in keiner Weise vom Verhalten des Menschen abhängig, Gott schenkt seine Liebe unverdient; in seinem Wort kommt Gott auf die Menschen zu, die es hören und in die Tat umsetzen; das Vertrauen des Glaubens führt zur Freiheit der Kinder Gottes und im gemeinsamen Gesang dringt das Wort Gottes tief in uns ein.

Schon in frühen Jahren hat unsere Communauté versucht, ihre Gemeinschaft mit der Orthodoxen Kirche zum Ausdruck zu bringen. 1965 sandte der ökumenische Patriarch Athenagoras von Konstantinopel Mönche nach Taizé, um für mehrere Jahre das monastische Leben mit uns zu teilen. Frère Roger hat sehr geduldig eine vertrauensvolle Beziehung mit der russisch-orthodoxen Kirche aufgebaut, die bis heute besteht. Die Auferstehung – die Auferstehung Christi und auch unsere eigene – sowie die Rolle des Heiligen Geistes in der Kirche sind auch für uns der Mittelpunkt unseres Glaubens, wie auch für die Christen des Ostens. Die Lehre der Kirchenväter ist ebenso für uns von großer Bedeutung.

Dieses ökumenische Zusammenleben stellt in unserem Alltag etwas Selbstverständliches dar. Natürlich bringt dies auch Einschränkungen mit sich und verlangt Verzicht. Aber es gibt keine Versöhnung ohne Verzicht.

Man kann die Geschichte von Taizé als Versuch ansehen, gemeinsam unter einem Dach zu leben: Wir Brüder stammen aus fast 30 verschiedenen Ländern, wir leben unter dem Dach eines Hauses und kommen zum gemeinsamen Gebet dreimal am Tag unter dem Dach der Versöhnungskirche zusammen.

An diesem gemeinsamen Gebet in Taizé nehmen Jugendliche aus allen Teilen der Welt teil – unter ihnen katholische, evangelische und orthodoxe Christen. Sie teilen miteinander ihre Suche nach Gott, genauso wie das tägliche Leben, die Mahlzeiten und alle anfallenden Arbeiten. Auf diese Weise sind auch sie Teil dieses „Gleichnisses der Gemeinschaft“, das die Communauté verwirklichen will. Sie versuchen nicht, ihren Glauben auf einen „kleinsten gemeinsamen Nenner“ zu bringen oder ihre Wertvorstellungen einzuebnen, dennoch machen sie die erstaunliche Erfahrung einer tiefen Einheit.

Diese jungen Menschen machen eine Erfahrung von Gemeinschaft, auch wenn sie wohl eher von Freundschaft sprechen würden, von Miteinanderteilen, von gegenseitigem Respekt, Zusammensein, Kennenlernen und ähnlichem.

Doch im Grunde genommen machen sie eine neue Erfahrung von Kirche: Sie entdecken die Schönheit dieser Gemeinschaft, auch wenn sie es vielleicht anders ausdrücken. Sie staunen und fragen sich, was sie so tief verbindet: Wie kommt es, dass so unterschiedliche Menschen sich verstehen, obwohl sie verschiedenen Konfessionen, verschiedenen Kulturen und manchmal sogar Völkern angehören, zwischen denen Krieg herrscht?

Manche finden dann in Gott, in Christus, die Quelle einer Einheit, die über sämtliche Grenzen hinweggeht. Man könnte also sagen: So wichtig es auch ist, über den Glauben und die Kirche zu sprechen, es muss stets eine Erfahrung von Gemeinschaft vorausgehen.

Wenn es uns Brüdern möglich ist, die Einheit vorwegzunehmen, und wenn Jugendliche sich im Rahmen der Jugendtreffen in Taizé daran beteiligen können, warum wäre dies nicht auch woanders möglich?

Aus diesem Grund sage ich oft zu den getrennten Christen: Warten wir nicht länger, begeben wir uns unter ein gemeinsames Dach! Wenn alle Christen eine Familie bilden, wäre es doch die normalste Sache der Welt, unter einem Dach zu leben und nicht zu warten, bis alle in allem einer Meinung sind!

Christus gibt die Einheit wann und wie er will; sie ist ein Geschenk. Aber wir müssen dieses Geschenk auch annehmen! Wie kann Christus uns die Einheit schenken, wenn wir uns nicht unter ein gemeinsames Dach begeben? Die Apostel, Maria und einige andere Frauen und Männer haben den Heiligen Geist empfangen, als sie unter dem Dach des Obergemaches in Jerusalem zusammen waren. Genauso vereint uns der Heilige Geist mit all unserer Verschiedenheit!

Wie können wir diesen Schritt konkret vollziehen? - In den vergangenen zwei Jahren habe ich bereits bei verschiedenen Gelegenheiten folgende Anregungen gemacht:

- Wir können uns innerhalb unserer Ortsgemeinde, zwischen Nachbarn und Familien, wie eine Art „Basisgemeinde“ zusammentun, um gemeinsam zu beten, um uns gegenseitig zu helfen und uns näher kennenzulernen.

- Beispiele einer gemeinsamen Bibelarbeit zwischen Gemeinden verschiedener Konfessionen, eines gemeinsamen Sozial- und Seelsorgedienstes sowie eines gemeinsamen Religionsunterrichts gibt es bereits. Diese Zusammenarbeit ist noch ausbaufähig: Jede Gemeinde könnte mit den Christen der anderen Konfessionen alles gemeinsam tun, was gemeinsam getan werden kann. Man könnte sich vornehmen, nichts mehr zu unternehmen, ohne die anderen mit einzubeziehen.
- Könnte nicht der Dom oder die Hauptkirche an vielen Orten zu einem Haus des Gebets für alle Christen der Stadt werden?

- Der theologische Dialog muss weitergehen! Doch könnte er nicht noch mehr als bisher im Rahmen eines gemeinsamen Gebets geführt werden, aus dem Bewusstsein heraus, dass wir bereits beisammen sind? Wo man zusammenlebt und gemeinsam betet, werden auch die theologischen Fragen anders angegangen. Vielleicht gilt das Gleiche für die Behandlung ethischer Fragen!

- Alle Glaubenden haben die Berufung, füreinander Sorge zu tragen. Die Kirche braucht aber auch auf den verschiedenen Ebenen ein Dienstamt der Einheit. Auf Weltebene ist dies traditionellerweise mit dem Bischof von Rom verbunden. Könnte man ihn nicht als Diener anerkennen, der für die Eintracht seiner Brüder und Schwestern in ihrer großen Verschiedenheit Sorge trägt? Könnten die einzelnen Kirchen nicht mit diesem Dienstamt verbunden sein, wenn auch auf unterschiedliche Weise? Ist dies im Übrigen nicht, zumindest ansatzweise, schon mancherorts eine unausgesprochene Wirklichkeit?

- Müssten die Kirchen, die sosehr darauf bestehen, dass für den gemeinsamen Kommunionempfang die Einheit im Glauben und das Einverständnis über das Amt Voraussetzung sind, nicht mit ebenso großem Nachdruck auf der Einmütigkeit in der geschwisterlichen Liebe bestehen! Ich denke dabei an die katholische und orthodoxe Kirche. Könnten sie nicht denen, die ihre Sehnsucht nach Einheit bekunden und an die Realpräsenz Christi glauben, eine weitreichendere eucharistische Gastfreundschaft gewähren? Die Eucharistie ist nicht nur der Höhepunkt der Einheit, sondern auch der Weg zu ihr.

In diesen Vorschlägen geht es ganz wesentlich um die gegenseitige Gastfreundschaft, wobei ich dabei nicht nur an die eucharistische Gastfreundschaft denke. [5] Eine Ökumene der Gastfreundschaft! Wenn wir diese noch mehr ins Zentrum stellen würden, läge der Schwerpunkt nicht mehr so sehr auf der Arbeit von Dialogkommissionen, sondern auf dem Leben und dem Alltag der Gläubigen. Die interkonfessionelle, wie übrigens auch die interreligiöse Gastfreundschaft, setzt ein Bemühen um „Übersetzung und Vergebung“ voraus, sowie die Anerkennung des jeweils anderen. Gastfreundschaft ist auf das Vertrauen angewiesen, dass der andere es genauso ehrlich meint wie ich.

Ich möchte damit sagen: Wahre Gastfreundschaft verlangt zunächst einmal, dass wir uns die Mühe machen, uns in den anderen hineinzuversetzen und ihm unsere Glaubens- und Frömmigkeitsformen zu erklären. Diese sind für den anderen wie eine fremde Sprache, die wir ihm übersetzen müssen. Das verlangt viel Geduld und wir gelangen damit nie ans Ende: dem anderen zuhören, seine Worte in meine eigene Sprache übersetzen und dabei hinnehmen, dass ein Teil des Gesagten unübersetzbar bleibt, und trotz allem gemeinsam weitergehen.

Weil wir dem anderen nie alles übersetzen können, sind Begegnung und Gastfreundschaft nicht ohne Vergebung möglich, wo Intoleranz und Ablehnung des anderen das geschwisterliche Zusammenleben verletzt haben. Man kann Vergebung jedoch nicht einfordern, genauso wenig wie man Barmherzigkeit oder Gnade einfordern kann.

Gastfreundschaft bedeutet auch, den anderen als anderen anzuerkennen. Könnten wir nicht dort, wo sich uns die Wahrheit des Glaubens eines anderen verschließt, zumindest die Aufrichtigkeit seines Glaubens und seiner Suche sehen! Dann können wir auch das, was wir an anderen nicht verstehen, als Geheimnis achten und staunend lernen, für den anderen dankbar zu sein. Dies brächte mehr Freude in unser ökumenisches Leben!

Gemeinsam der Wahrheit entgegengehen!

Aber ist es tatsächlich möglich, uns unter ein gemeinsames Dach zu begeben, ohne dass in allen theologischen Fragen Einverständnis herrscht? Ja, dessen bin ich mir ganz sicher. Und hiermit wäre ich bei meinem dritten Vorschlag: Gemeinsam der Wahrheit entgegengehen, und nicht jeder für sich!

Von Papst Benedikt XVI., der stets bemüht war, jeden Relativismus zu vermeiden, stammt der wunderbare Satz: „Es ist unangebracht, in ausschließender Weise zu behaupten: ‚Ich besitze die Wahrheit‘. Die Wahrheit ist niemals Besitz eines Menschen. Sie ist immer Geschenk, das uns auf einen Weg ruft, sie uns immer tiefer anzueignen. … Die Wahrheit kann nur in der Freiheit erkannt und gelebt werden; denn wir können dem anderen die Wahrheit nicht aufzwingen. Nur wenn wir einander in Liebe begegnen, enthüllt sich die Wahrheit.“ [6]

„Die Wahrheit ist niemals Besitz eines Menschen. Sie ist immer Geschenk!“, sagt Papst Benedikt. Müsste die Theologie in den verschiedenen Kirchen nicht demütiger werden und noch mehr der Tatsache gerecht werden, dass sich Gott nicht in unsere Gedankengebäude einsperren lässt. Hier kann uns die apophatische Theologie helfen, die in der Ostkirche eine große Rolle spielt und die in erster Linie hervorhebt, was Gott nicht ist, anstatt zu versuchen, Gott zu definieren.

Dies käme auch dem Anliegen der Reformatoren entgegen, die die Unverfügbarkeit Gottes immer wieder betont haben und jeden Tauschhandel mit Gott ablehnten: Gott ist frei, „unvorhersehbar“, und seine Barmherzigkeit ist größer als alles, was wir uns vorstellen können. So ist jeglicher Handel mit ihm ausgeschlossen; wir können Gott zu nichts zwingen.

Dennoch bedeuten Freiheit und radikale Transzendenz Gottes nicht, dass die Wahrheit unerreichbar wäre. Nach den Worten des Evangelisten Johannes wird der unsichtbare und alles übersteigende Gott zugänglich in der Person Jesu und in der geschwisterlichen Liebe. „Niemand hat Gott je gesehen. Der Einzige, der Gott ist und am Herzen des Vaters ruht, er hat Kunde gebracht.“ [7] Und an anderer Stelle schreibt Johannes: „Niemand hat Gott je geschaut; wenn wir einander lieben, bleibt Gott in uns und seine Liebe ist in uns vollendet.“ [8]Für Johannes gibt es nur einen Weg, um in der Wahrheit Christi zu bleiben: zusammenkommen und uns gemeinsam auf den Weg zu machen. Das ist, was Papst Benedikt mit den Worten ausdrückt: „Nur wenn wir einander in Liebe begegnen, enthüllt sich die Wahrheit.“

Ich möchte das Gesagte anhand der in der Apostelgeschichte überlieferten Begegnung zwischen Petrus und Kornelius veranschaulichen: Diesen beiden Menschen geht, indem sie sich begegnen, eine Wahrheit auf, die weder der eine noch der andere von ihnen vorher kannte:

In Cäsarea befiehlt ein Engel dem römischen Hauptmann Kornelius, einen gewissen Petrus aus Joppe holen zu lassen. Kornelius hat keine Ahnung, um wen es sich handelt. Zur gleichen Zeit hat Petrus in Joppe eine eigenartige Vision: Er soll alle möglichen als unrein betrachtete Tiere essen – „Vierfüßler, Kriechtiere der Erde und Vögel des Himmels“. Weder Petrus noch Kornelius verstehen, was geschieht.

Als die Boten des Kornelius zu Petrus kommen, begreift dieser zwar, dass er mitgehen soll, aber nicht warum. Und als er in Cäsarea ankommt, weiß auch Kornelius noch nicht, was Gott ihm durch diesen Jünger Jesu sagen will.

Erst im Hause des Kornelius beginnt Petrus zu begreifen, was die Vision, die er hatte, bedeutet, nämlich dass man „keinen Menschen unheilig oder unrein nennen“ und meiden darf, und dass er mit seinem Besuch bei dem Römer Kornelius nicht gegen das Gesetz verstößt. Petrus erzählt also, was er über Gott und Jesus weiß. Und zu seinem großen Erstaunen wird der Heilige Geist über Kornelius und die Seinen – also über Nicht-Juden – ausgegossen. [9]

Weder Petrus noch Kornelius wussten im Voraus, was ihnen geoffenbart werden sollte, nämlich dass Gott auch den Nicht-Juden „die Umkehr zum Leben geschenkt hat!“ Genauso wenig wie Kornelius hätte Petrus für sich allein die Wahrheit gefunden, obwohl er, der Apostel, doch in einer festen Beziehung zu Christus stand. Erst unter einem Dach und an einem gemeinsamen Tisch [10] konnte sich ihnen die Wahrheit offenbaren.

Die Wahrheit eröffnet sich nur in einer Begegnung der Liebe. Wir werden als Christen erst zu dem, was wir sind, wenn wir uns gemeinsam auf den Weg machen. So stellt sich nun konkret die Frage: Bringen wir den Mut auf, uns unter ein gemeinsames Dach und an einen gemeinsamen Tisch zu begeben, um zusammen der Wahrheit entgegenzugehen, die sich nicht anders offenbaren kann?

Auf dem Handzettel zu dieser Tagung sind die „Fünf Ökumenischen Imperative“ aus dem Dokument „Vom Konflikt zur Gemeinschaft“ erwähnt, von denen der Zweite dieselbe Frage anspricht: „Lutheraner und Katholiken müssen sich selbst ständig durch die Begegnung mit dem Anderen und durch das gegenseitige Zeugnis des Glaubens verändern lassen.“

Es ist wahr: Die Begegnung verändert; Petrus und Kornelius haben dies erfahren. Eine solche Veränderung kann schmerzhaft sein, wenn dabei unsere inneren Widerstände zutage treten, all das, worin wir die anderen insgeheim ablehnen oder verurteilen. Aber gerade dort offenbart sich die Wahrheit unserer Einheit, die sich nicht zeigen kann, solange jeder für sich bleibt.

Es war für Petrus kein leichter Schritt, zu Kornelius zu gehen und seine Gastfreundschaft anzunehmen. Und sofort wurden ihm von seinen Mitchristen Vorhaltungen gemacht. Aber die Apostelgeschichte berichtet auch, wie sich die Betroffenen, sobald sie die Wahrheit erkannten, „beruhigten und Gott priesen.“

Die Schönheit der Berufung der Kirche

Zum Abschluss möchte ich noch Folgendes sagen: Wenn die Christen an einem Ort, in einer Stadt, in einem Land und selbst weltweit versuchen, sich in Liebe zu begegnen, wie Mitglieder ein und derselben Familie, wie Bewohner eines gemeinsamen Hauses, dann legen sie Zeugnis ab für den Frieden Christi und können selbst in schwierigsten Situationen Frieden stiften.

Viele Christen und die meisten Kirchen und christlichen Gemeinschaften möchten gemeinsam solche Zeugen des Friedens sein. Die ökumenischen Gespräche haben Wege dazu gebahnt. Zögern wir also nicht länger, die Konsequenzen daraus zu ziehen und gemeinsam weiterzugehen! Gehen wir von Christus aus, der nicht geteilt ist; begeben wir uns unter ein gemeinsames Dach und gehen wir gemeinsam der Wahrheit entgegen!

Damit betreten wir Neuland und müssen uns auf das Wort des Propheten Jesaja stützen, der sagt: „Die Blinden will ich auf dem Wege leiten, den sie nicht wissen; ich will sie führen auf den Steigen, die sie nicht kennen. Ich will die Finsternis vor ihnen her zum Licht machen.“ [11]

Wir vertrauen uns dem Heiligen Geist an, der uns auf Wege führt, auf denen wir noch nie gegangen sind. Er zeigt uns, wie wir zu wahrhaftigen Zeugen der Gemeinschaft werden.

Frère Alois an Weihnachten in Syrien

Am Vorabend des Europäischen Jugendtreffens in Valencia ist Frère Alois direkt aus Syrien in Spanien eingetroffen. Er hat Weihnachten in Homs verbracht, unter Menschen, die mitten in den Ruinen dieser Stadt die Gewalt Tag für Tag hautnah erleben. Zuvor war Frère Alois mit zwei Brüdern der Communauté, die bereits seit zwei Monaten im Libanon unter Flüchtlingen leben, einige Tage in Beirut.

Am Montagabend sprach Frère Alois zu den jungen Teilnehmern des Europäischen Treffens in Valencia über seinen Aufenthalt im Nahen Osten.

Konferenzen zur Fastenzeit in Paris

Am Sonntag, den 8. März hielt Frère Alois einen Vortrag im Rahmen der „Konferenzen zur Fastenzeit“ in Notre-Dame von Paris. Das Thema lautete: „Ein Leben, das zu einem Zeichen wird.“ Der Text des Vortrags (auf Französisch) auf den Internetseiten der Erzdiözese von Paris.