TAIZÉ

Russland: Ostern 2011

Was habt ihr während des Pilgerwegs in Moskau erlebt?

 
Auf diese Frage antworten hier einige der 240 Jugendlichen, die in den Kar- und Ostertagen von Gastfamilien sechs orthodoxer Kirchengemeinden der Stadt empfangen worden waren.

„Für mich war das schönste Erlebnis, an der orthodoxen Liturgie teilzunehmen. So konnte ich mehr über den Sinn der Liturgie erfahren und über die Bedeutung der Tradition in der Kirche. Die Liturgie ist ein Gespräch zwischen dem dreifaltigen Gott und den Menschen und hilft uns, mit Gott in Gemeinschaft zu treten. Viele Elemente der orthodoxen Liturgie helfen, einen Ort zu schaffen, an dem die lebendige Gegenwart Gottes bereits hier auf Erden erfahrbar wird. Vieles erinnerte mich daran, worin das Reich Gottes besteht: Freude, Friede, Liebe, Harmonie und – denke ich – die Musik. Wir können bereits hier auf Erden damit beginnen, das Reich Gottes zu leben. Zum Beispiel die wunderschönen Chorgesänge während der Gottesdienste, die Ikonen, der Weihrauch, die Farben der Stoffe und Vorhänge, die Wiederholungen einiger Gebete, das Kreuzzeichen, all diese Dinge haben mich an ein Geheimnis herangeführt: das Geheimnis Gottes.

Von den Lesungen und dem, was die Priester sprachen, habe ich nicht viel verstanden; aber ich merkte, dass die Sprache des Heiligen Geistes über jede menschliche Sprache hinausgeht. Obwohl ich nichts verstand, habe ich seine Gegenwart auf eine andere Weise gespürt. Er war in der Gemeinde von St. Philip gegenwärtig und in jedem einzelnen von uns, nicht nur durch Dinge, die wir durch Intelligenz oder unsere Vernunft verstehen können.“

Sara, Barcelona

„Wenn mir vor der Reise jemand gesagt hätte, dass wir zum Frühstück, sowie mittags und abends Haferbrei essen würden, wäre ich nicht allzu begeistert gewesen (trotz des biblischen Grundsatzes „Selig sind die Sanftmütigen“). Wie auch immer, ich entwickelte eine Vorliebe für `kasha´, besonders da es zum Frühstück süß war und mittags bzw. abends mit sauren Gurken oder Gemüse kombiniert wurde. Der Gedanke, den ganzen Gottesdienst zu stehen, war mit sehr fremd. Ich muss zugeben, dass ich meine Augen während des ersten dreistündigen Gottesdienstes zum Gebet nicht schließen wollte, aus Sorge das Gleichgewicht zu verlieren und vornüber zu fallen. Letztlich stand ich alle Gottesdienste durch und denke, dass sich die Beine daran gewöhnen. Nachdem russische Rentner ganz entspannt neben mir standen, konnte ich mit meinen 20 Jahren auch schlecht schlapp machen. Ich frage mich, ob ich in deren Alter auch noch so rüstig sein werde!“

Robert, England

„Am Anfang kam ich mir ein wenig verloren vor, zum einen, weil ich kein Wort Russisch verstand, zum anderen, weil ich es als unecht empfand, mich während der Gebete wie ein orthodoxer Gläubiger zu benehmen. Aber es dauerte nicht lange bis ich den Geist der Gebete in St. Tatyana spürte und da fühlte es sich nicht länger unecht an, am Gebet teilzunehmen, sondern ganz natürlich.

Es war ermüdend, während der Gebete drei Stunden am Stück zu stehen und an einigen Tagen zwei Gebete lang, insgesamt sechs Stunden! Aber ich spürte, dass es sich lohnen würde, nicht aufzugeben und tat es auch nicht. Es war es wert, denn während der beiden letzten Tage war es kein Problem mehr. Vielleicht wurden die Gebete auch interessanter.

In einer Gastfamilie untergebracht zu sein war eine hervorragende Idee. Es half mir sehr, die Kultur kennen zu lernen! Ich blieb noch zwei Tage länger, bis Mittwoch, und besuchte mit der Familie die orthodoxe Schule, auf die ihre Kinder gehen. Mitzuerleben, wie solch eine religiöse Familie mit vier kleinen Kindern lebt und wie sie ihre Kinder erzieht, war faszinierend! Ich denke, wir können in unserer Gesellschaft viel davon lernen!“

Elli, Berlin

„Ich glaube, dass war das `feierlichste´ Ostern, das ich je erlebt habe. Die orthodoxe Liturgie besitzt die erstaunliche Gabe, jemanden am Geheimnis des christlichen Glaubens durch sichtbare Zeichen teilnehmen zu lassen. Und dank der Erklärungen, die wir in unserer Gastgemeinde erhielten, konnten wir diese verstehen und genossen den Reichtum der orthodoxen Gottesdienste.

Viele Teilnehmer hatten über Russland, das russische Volk oder selbst über die orthodoxe Kirche bisher nur über die Massenmedien erfahren. Sie hatten nun die Chance, die Großzügigkeit der russischen Seele und die Tiefe des orthodoxen Glaubens zu entdecken. Diese erste Begegnung mit der orthodoxen Kirche fand in einer Atmosphäre der Freundschaft und des Vertrauens statt. Nur schwerlich könnten eventuelle Missverständnisse diese Erfahrung überschatten. Ich hoffe, wir können Zuhause mit anderen teilen, was wir hier mit vielen anderen erlebt haben und dass die Sehnsucht, unsere orthodoxen Schwestern und Brüder in Christus besser kennen zu lernen sich wie das Osterlicht ausbreitet, das von Kerze zu Kerze überspringt.“

Martyna, Kiew

„Am Karfreitag fuhren wir alle nach Butovo, einen Ort vor den Toren Moskaus, an dem das sowjetische Regime Zehntausende Menschen wegen ihres Glaubens oder ihrer politischen Überzeugung ermordet hatte. Vormittags wurden wir über das Gelände geführt und trafen auch die anderen Jugendliche aus ganz Europa. Nach einem gemeinsamen Essen – faszinierend zu sehen, wie die anderen Pilger miteinander umgingen – fand der Gottesdienst mit der Aussetzung des Grabtuches statt. Zusammengenommen mit der anschließenden Prozession war dies einer der wertvollsten Momente, die ich in Moskau erlebte. Es gibt Momente, für die ich keine Worte finde, um sie zu beschreiben, noch nicht einmal in meiner Muttersprache, wie elektrisiert, fühlte ich stark Gottes Gegenwart unter uns.“

Stefan, Österreich

„Der Empfang war sehr herzlich. Obwohl ich kein Russisch spreche, wurde mir am Empfangstag gleich zu verstehen gegeben, dass ich mich wie Zuhause fühlen konnte. Mir wurden Tee und russische Süßigkeiten angeboten. Den Priester der Gemeinde fand ich sehr klug und liebevoll. Seine Art zu reden war wunderbar und sehr berührend. Die Arbeit der Gemeinde mit den Obdachlosen fand ich wirklich super. Ich mag die Idee, dass die Menschen in die Kirche eingeladen werden, um Hilfe zu erhalten und nicht in irgendeinem Raum betreut werden, in einer alten Turnhalle zum Beispiel. Dies hat eine doppelte symbolische Bedeutungen für mich: Die Menschen werden nicht als `zu schmutzig bzw. zu unwürdig´ angesehen... sondern werden im heiligen Raum der Gemeinde empfangen. Auf diese Weise bekommen die Menschen in Not nicht nur geistige Nahrung, sondern in der Kirche auch etwas zum Essen.

Die orthodoxen Traditionen kennen zu lernen war sehr interessant für mich. Ich konnte meinen theologischen Horizont erweitern und begreifen, was am Kreuz geschah; das berührte auch mein Herz. Ich komme aus einer lutherischen Kirche, und finde die Liturgie, die Musik, die Kerzen, den Weihrauch, all die Zeremonien wunderschön, die es bei mir zu Hause nicht gibt. So war es eine sehr bereichernde Erfahrung und irgendwie empfand ich es auch so, als ob ich zu meinen eigenen (kirchlichen) Wurzeln zurückkehrte.“

Csaba, Bamberg

„Ich möchte der Gemeinde von Metropolit Hilarion (Ikone der Mutter Gottes, Freude aller Leidenden), die mich aufgenommen hat, ganz herzlich danken, dass sie diese Einladung zum Besuch erweitert haben und besonders den Jugendlichen der Gemeinde für ihre Freundschaft und ihre Unterstützung während meines kürzlichen Aufenthaltes in Moskau.

Während meines Besuchs beeindruckte mich besonders, unsere Gemeinsamkeiten zu entdecken! Dies war nur durch die gemeinsam verbrachte Zeit, die Gespräche und den Erfahrungsaustausch möglich. Ich entdeckte, dass es so viel Leben in dieser Kirche gibt, nach den turbulenten Zeiten in der jüngeren Vergangenheit. Ich war beeindruckt von der Bedeutung, die die Osterliturgie hier hat, von den Feiern in meiner Gastfamilie und der Freude, die der Glaube mit sich bringt – ich denke, dass diese Elemente in den westlichen Kirchen manchmal verloren gegangen sind durch den Druck der Gesellschaft und den Widerwillen der Gläubigen, Unannehmlichkeiten auszuhalten oder sich für die Traditionen Zeit zu nehmen. Selbst die Traditionen des Fastens und des Stehens in der Kirche zeugen vom Willen, angesichts vorübergehender Unannehmlichkeiten im Glauben auszuharren, und der Nachfolge Jesu Christi einen hohen persönlichen Wert zu geben. Es scheint, als ob das Durchhalten und das Zeugnis einzelner Christen zur Auferstehung dieser Kirche beigetragen haben; dies ist, wie ich glaube, ein Symbol der Hoffnung für uns alle, die wir in Moskau zusammengekommen sind.“

Majella, Dublin

„Eine sehr beeindruckende Erfahrung war für mich der Besuch des `russischen Golgathas´ in Butovo. Ich hatte von dem Ort zuvor gelesen und kenne andere Orte, die eine ähnliche Geschichte haben. Was mich am meisten berührte, war die kleine hölzerne Kirche, in welche die Kinder und Enkelkinder derer, die dort ermordet wurden, kommen, um zu heiraten oder ihre Kinder taufen zu lassen. Es hat mich überrascht, dass man für solch glückliche und hoffnungsvolle Momente im Leben an einen solchen Ort kommt, an dem eine große Tragödie für die Familie geschehen ist. Aber darum geht es im Christentum: von großer Hoffnungslosigkeit am Karfreitag zum großen Fest der Hoffnung und des Sieges am Ostersonntag. Die Wandlung von einem Ort, an dem so viele Menschen ihr Leben verloren haben, in einen Ort, an dem Menschen (zu einem neuen Leben) getauft werden und heiraten. Wir Polen können viel von solch einer Haltung lernen!“

Matylda, Warschau

„Ich bin voller Dankbarkeit für alles, was ich während der Kar- und Ostertage in Moskau erleben durfte. Ich entdeckte eine lebendige Kirche, Gemeinschaften, die ihre Kirchen so schön wie möglich gestalten, die Christus und die Kirche lieben, ebenso wie die Werte der Traditionen. Aber gleichzeitig versuchen sie auch, in ein Gespräch mit den Nicht-Glaubenden zu treten oder dieses zu vertiefen.

Die Gemeinde St. Philip und meine Gastfamilie empfingen mich sehr herzlich und ihre Gastfreundschaft ermöglichte mir, die orthodoxe Kirche und die Stadt Moskau von innen her kennen zu lernen. Ohne ihre Freundlichkeit wäre es nicht das Gleiche gewesen.“

Julien, Frankreich

Was ich von dieser Erfahrung mitnehme, sind die Menschen, die ich getroffen habe. Meine Gastfamilie, die Russen, die ich in der Gemeinde traf, die anderen Pilger. Mir wurden viele schwierige Fragen gestellt; und auch ich hatte die Möglichkeit, einige schwierige Fragen zu stellen. Mit denjenigen, mit denen ich gesprochen habe, habe ich ehrlich gesprochen, lernte etwas über Russland, verwarf einige Vorurteile in meinem Kopf, fühlte ihre Großzügigkeit, erfuhr russische Gastfreundschaft. Mit denjenigen, mit denen ich keine Gelegenheit hatte zu sprechen, lebte ich zumindest etwas sehr besonderes zusammen und allein dies bringt uns einander näher. Am Ende fühle ich mich mehr und mehr als Nehmender.

Dafür bin ich dankbar und bete: Христос Воскресе!”

Klementyna, Danzig/Polen

Letzte Aktualisierung: 9. Juni 2011