Lieber Bruder Alois,
liebe Brüder der Communauté von Taizé,
liebe junge Pilger,
es ist uns eine Ehre, mit euch den Vespergottesdienst zum Fest der Erscheinung des Herrn im Phanar zu feiern, und wir freuen uns, als Christen gemeinsam in dieser historischen Stadt zu beten. Diese berühmte Stadt, die ihr diese Woche besucht, hieß früher – nach ihrem Gründer, dem Hl. Konstantin – Konstantinopel und heute Istanbul. Sie ist die größte Stadt der Türkei und Sitz des Ökumenischen Patriarchats.
Das Ökumenische Patriarchat ist der erste Bischofssitz der Orthodoxie und befindet sich seit 1700 Jahren in dieser von Konstantin gegründeten Stadt. Konstantin ist nicht nur für die Orthodoxe Kirche wichtig, sondern für alle, die jemals – einst und jetzt – für Religionsfreiheit eingetreten sind. Sein Mailänder Edikt aus dem Jahr 313 n. Chr. hat insofern dazu beigetragen, die Grundlage für das Verständnis der Menschenrechte zu legen, als es den Menschen erlaubte, ohne Zwang oder Angst vor Verfolgung Gottesdienst zu feiern. In diesem Jubiläumsjahr wird uns bewusst, dass uns das Mailänder Edikt schon seit 1700 Jahre führt, aber auch, wie viel im Bereich der Religionsfreiheit noch zu tun ist.
Euer Pilgerweg zum Fest der Erscheinung des Herrn, den die Communauté von Taizé vorbereitet hat, ist nach dem diesjährigen Treffen in Rom, zu dem wir wie jedes Jahr mit großer Freude eine Grußbotschaft gesandt haben, ein Pilgerweg des Vertrauens. Wir müssen zwischen unseren Kirchen und christlichen Gemeinschaften immer wieder Vertrauen stiften und gemeinsam von der Gegenwart Christi in der Welt Zeugnis ablegen.
Das Fest der Erscheinung des Herrn wird in der Orthodoxie als Theophanie gefeiert; der „Gott mit uns“ erscheint den Menschen: die Offenbarung Gottes. Wir wenden unser Herz und unsere Sinne dem hellen Licht zu, wenn wir das Leben Christi in seiner geoffenbarten menschlichen Gestalt betrachten: seine Geburt, die Anbetung der Weisen und seine Taufe durch Johannes den Täufer im Jordan. Das diesjährige Fest erhält durch eure Anwesenheit eine noch größere Bedeutung, weil ihr Zeugnis für die Liebe Christi ablegt und konkrete Schritte zum Frieden tut.
Es ist uns eine große Freude des Herzens, euch heute hier bei uns zu haben! Und in jedem Einzelnen von euch kommt uns auch die Hoffnung auf die Einheit der Christen entgegen, die ihr vertretet. Wir freuen uns darüber, das sich junge Menschen für Christus und seine Kirche begeistern und ihm in Treue dienen. Die Heilige Schrift spricht davon, zu welcher christlichen Hingabe junge Menschen fähig sind, in Personen wie Josef, Esther, David, Johannes, Markus und Timotheus. Paulus stellt in seinem ersten Brief an Timotheus fest: „Niemand soll dich wegen deiner Jugend gering schätzen. Sei den Gläubigen ein Vorbild in deinen Worten, in deinem Lebenswandel, in der Liebe, im Glauben, in der Lauterkeit.“ [1]
Christi Gebet im Johannesevangelium (17,11): „Heiliger Vater, bewahre sie in deinem Namen, den du mir gegeben hast, damit sie eins sind wie wir“, schenkt uns die Erwartung, dass sein Gebet eines Tages Wirklichkeit wird. Indem wir unsere christlichen Schwestern und Brüder lieben, tun wir den ersten Schritt zur ökumenischen Versöhnung, die Christus will.
Das lebenslange Engagement für die Einheit, das ihr Brüder der Communauté von Taizé eingegangen seid, gibt uns ein lebendiges Beispiel dafür, wie wir das Gebet Christi in unseren Beziehungen mit anderen christlichen Gemeinschaften erfüllen können. Dafür danken wir euch!
Die ökumenische Versöhnung ist die großartige Idee, auf der die Communauté von Taizé gegründet wurde. Sie beruht auf einem Konzept, das in der Communauté von Taizé von unserem lieben verstorbenen Bruder, Frère Roger, ins Leben gerufen wurde; mögen wir seiner auf ewig gedenken! Die ökumenische Versöhnung ist ganz wesentlich auf tiefste Demut, Aufrichtigkeit und Wahrhaftigkeit des Geistes angewiesen, damit wir einander wirklich zuhören können. Dies sind bewundernswerte Eigenschaften, und die Arbeit, die ihr tut, ist Inspiration für Menschen aller Generationen auf der ganzen Welt.
Frère Alois schrieb in seinem letzten „Brief 2012-2015: Auf dem Weg zu einer neuen Solidarität“, dass uns „das Gebet gleichzeitig Gott und der Welt näher bringt.“ Seine Worte erinnern uns daran, dass Christus das, was in den Augen der Menschheit oft unmöglich scheint, als Antwort auf unser inständiges Gebet bewirkt. Wir sehen eine große Weisheit darin, die Welt durch das Gebet verändern zu wollen.
Je mehr wir das Gebet als eine unbeschreibliche, geheimnisvolle Kraft erfahren, die Menschen bewegt und Institutionen verändert, können wir in Hoffnung dem Frieden entgegengehen. Eines Tages werden wir sehen, dass die ökumenische Versöhnung ihre Gestalt vom Göttlichen erhalten hat, und dass sie eine Antwort auf unsere Gebete ist, die wir im Einklang mit dem Gebet Christi sprechen.
Möge jeder von euch auf immer in „der Barmherzigkeit Gottes und der Gemeinschaft seiner Brüder“ vorangehen und „Gott in euch vollenden, was er begonnen hat.“ [2]