TAIZÉ

Pilger des Friedens

Eine palästinensische Familie erzählt ihre Geschichte

 
Seit März 2022 ist eine palästinensische Familie, ein älteres Ehepaar mit zwei Söhnen, von denen einer behindert ist, in Taizé zu Gast und teilt hier ihren Lebensweg mit uns. Wie fordern uns diese Menschen heraus, Pilger des Friedens zu werden?

„Unsere Familien stammen aus dem Dorf Tantura in Palästina. In der Nacht des 22. Mai 1948 überfielen zionistische Milizen das Dorf und töteten mehrere hundert Männer, sperrten andere ein und deportierten Frauen und Kinder. Unsere Familien wurden nach Syrien verschleppt. Mein Mann und ich kamen in der Nähe von Damaskus auf die Welt. Wir sind Palästinenser, aber wir konnten nie in unser Dorf, in unsere Heimat zurückkehren. Wir haben unser ganzes Leben im Ausland verbracht und gehören zur ersten Generation der „Nakba“ [1], die ihre Kultur, Geschichte und Traditionen von früheren Generationen übernommen haben. Mein Vater versammelte uns jeden Freitagabend und man erzählte uns Geschichten über unsere Familie und unsere Vorfahren. Wir redeten, sangen, tanzten und kochten zusammen.

Als mein Mann und ich unsere Familie gründeten, war es an uns, alles weiterzugeben, was wir erhalten hatten.

Das Leben für palästinensische Flüchtlinge in Syrien war nicht leicht. Wir bekamen nie die syrische Staatsangehörigkeit. Wir arbeiteten einige Jahre als Lehrer in Saudi-Arabien, aber das war auch nicht viel besser. Auch dort blieben wir „palästinensische Flüchtlinge“. Als wir zu Beginn des Bürgerkriegs nach Syrien zurückkehrten, kam es im Flüchtlingslager Yarmuk, in dem wir lebten, zu schrecklichen Massakern. Wir waren gezwungen, erneut zu fliehen. Diesmal fanden wir Zuflucht im Libanon. Nach neun Jahren Lagerleben konnten wir über einen humanitären Korridor, den die Gemeinschaft S. Egidio eingerichtet hatte, nach Frankreich kommen. Jetzt leben wir in Taizé. Wir sind sehr glücklich, hier zu sein, aber seit dem 7. Oktober leben wir wieder in Angst und Schrecken. Meine Schwester und ihre Familie sind in Gaza. Sie und ihr Mann sind Lehrer im Ruhestand.

Die Bombardierungen haben sie aus Gaza-Stadt vertrieben. Sie folgten allen, die in Richtung Süden flohen. Sie hofften, in Khan Younes in Sicherheit zu sein, waren aber gezwungen, nach Rafah zurückzukehren. Die Nachrichten, wenn es denn welche gibt, sind nicht gut. Sie leben unter einer Plane. Es fehlt ihnen an allem: Wasser, Nahrung, Strom und Internet. Sie sind krank, müde und verängstigt. Die Bombardierungen gehen weiter.

Wir wissen nicht, wie unsere Zukunft aussehen wird. Wir bitten Allah, uns zu helfen ... Bitte betet für uns. Wir hatten nie die Möglichkeit, in unserem eigenen Land zu leben, aber Palästina lebt in unseren Herzen und Köpfen.“

Wesal (70) und Mohamed (70)


Anmerkungen

[1Arabischer Begriff für „Katastrophe“, die Vertreibung der Bewohner Palästinas